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Zombies unter uns

ORTSTERMIN Im NRW-Landtag warnen die Piraten vor ferngesteuerten Haushaltsgeräten – gar nicht lustig

In den Redaktionen sehen viele die Piraten vor dem Absturz in den „endgültigen Schwachsinn“

Die Pressekonferenz, zu der die Piratenfraktion im Düsseldorfer Landtag am Mittwoch geladen hat, gilt unter Journalisten schon seit Tagen als Witz. „Zombie-Bügeleisen aus der Hölle – das dunkle Internet der (Haushalts-) Dinge“.

Unter dieser abgedrehten Überschrift haben die Nerds eine kleine Anfrage an die rot-grüne Landesregierung formuliert: Wie gefährlich ferngesteuerte Wasserkocher und Bügeleisen seien, wie sich „Ministerien und Landesbehörden“ schützen, wollen die Piraten wissen. Schließlich seien in Russland „präparierte“ Haushaltsgeräte aufgetaucht, die per WLAN Netzwerke infizierten und zum Spam-Versand missbrauchten.

In den Redaktionen sehen deshalb viele die Piraten vorm Absturz in den „endgültigen Schwachsinn“. Doch die Internetfreaks haben offenbar gemerkt, wie nah sie am Rand der Lächerlichkeit stehen: Bei der Pressekonferenz im „Clubraum Lippe“ geben geben sie sich extrem professionell.

Am blütenweiß gedeckten Tisch bei Häppchen und Brezeln sitzen nicht nur der „netzpolitische“ Sprecher Daniel Schwerdt und der IT-Experte Lukas Lamla – auch der frisch gewählte Fraktionsgeschäftsführer Nico Kern und Fraktionschef Joachim Paul sind da. Schwerdt und Kern tragen teuer wirkende Businessanzüge, Paul immerhin Jackett. Kugelschreiber und Fruchtgummis mit Piratenlogo liegen bereit.

Die Bügeleisen-Anfrage sei „natürlich provokativ“ gemeint, rettet Netzpolitiker Schwerdt seine Fraktion – und zieht zusammen mit Lamla einen handfesten Skandal aus der Tasche: Der Zugang zum Intranet des Landtags werde noch immer mithilfe des US-Unternehmens RSA Security gesichert – dabei hätten die Enthüllungen von Edward Snowden ergeben, dass der Geheimdienst NSA der Firma 10 Millionen Dollar gezahlt hat, um Zugriff auf das Verschlüsselungssystem zu erhalten.

Außerdem laufe sämtlicher Mailverkehr des Landtags – auch der von Büro zu Büro – über Server des Google-Dienstleisters Postini – und sei damit ebenfalls einsehbar. „Alle Mails, die Sie seit 2007 mit Abgeordneten ausgetauscht haben, liegen der NSA im Klartext vor“, warnt Lamla die „lieben Journalisten“. Die IT-Sicherheitssysteme in Nordrhein-Westfalen seien „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ von Geheimdiensten „infiltriert“, mahnen die vier Piraten. Landtag wie Landesregierung ignorierten die Gefahr. Von der Presse grinst jetzt niemand mehr.

ANDREAS WYPUTTA, Düsseldorf

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