Kinderdealer sollen in den Knast

DROGEN Die „Kinderdealer“ sind in aller Munde – und damit die Forderung nach geschlossenen Heimen. Dabei handelt es sich nur um absolute Einzelfälle

■  Am 21. Juli 1994 starb ein Gladbecker Jugendlicher unter bis heute ungeklärten Umständen. Seine Mutter machte die repressive Drogenpolitik verantwortlich und initiierte vier Jahre später, am 21. Juli 1998, mit weiteren trauernden Eltern den „Nationalen Gedenktag für verstorbene Drogentote“. In diesem Rahmen findet auf dem Oranienplatz ab 12 Uhr die Veranstaltung „Gemeinsam gegen Ausgrenzung“ statt. Schirmherrin ist Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke).

■  Im letzten Jahr starben in Berlin 155 Menschen an den Folgen des Rauschgiftkonsums. 86 Prozent von ihnen waren Männer, das Durchschnittsalter der Drogentoten betrug 36 Jahre.

■  Im Juni 2009 beschloss der Bundestag die kontrollierte Abgabe von synthetisch hergestelltem Heroin (Diamorphin) an Schwerstabhängige. Wann dieser Beschluss umgesetzt wird, ist laut Senatsgesundheitsverwaltung noch nicht klar. Es werde derzeit „intensiv am Konzept gearbeitet“, so eine Sprecherin. (taz)

Er ist erst 11 und wurde am Montag zum elften Mal beim Dealen mit Heroin erwischt. Laut aufgeregten Medienberichten ist der „Kinderdealer“ kein Einzelfall – und prompt werden alte Forderungen nach geschlossenen Heimen für Minderjährige laut.

Seit Ende voriger Woche berichten Berliner Medien groß von dem Problem der mit Drogen dealenden Kindern, die wiederholt von der Polizei aufgegriffen wurden. Doch Fälle wie der des 11-Jährigen und seiner „Komplizen“, die die Polizei am Montag fasste, sind die Ausnahme: In diesem Jahr wurden laut Polizeiangaben fünf Minderjährige polizeilich als Drogendealer festgestellt. Das bestätigt auch Beate Köhn, Sprecherin des Kindernotdienstes, zu dem die Polizei am Montag einen aufgegriffenen 13-jährigen Jugendlicher brachte: „Von einem plötzlich auftretenden Phänomen dealender Kinder kann keine Rede sein, es war bei uns der erste Fall in diesem Jahr“, sagte Köhn der taz.

„Kollektives Versagen“

Die Polizei kann die unter 14-jährigen, also strafunmündigen, Kinder nicht festnehmen, sondern bringt sie zu den Sorgeberechtigten oder – wenn sie diese nicht zu Hause sind – zum Kindernotdienst. Der am Montag aufgegriffene arabischstämmige 11-Jährige wurde zurück in ein Heim für asylsuchende Kinder gebracht; er lebt dort, da er ohne Eltern nach Deutschland eingereist ist. Da der Junge bereits zum elften Mal von der Polizei aufgegriffen wurde und diese Heime offen sind, häufen sich nun die Forderungen nach einer Unterbringung minderjähriger Dealer in geschlossenen Heimen. Heime, in denen Kinder kommen und gehen könnten, wie sie wollen, seien völlig sinnlos, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Dienstag.

Damit unterstützt er die CDU und die Gewerkschaft der Polizei, die bereits seit Jahren geschlossene Heime fordern. „Kollektives Versagen“ warf Emine Demirbüken-Wegner, die jugendpolitische Sprecherin der CDU, dem Senat angesichts der aktuellen Fälle vor und forderte: „Die Unterbringung in geschlossenen Heimen ist für aktenkundige Mehrfachtäter zwingend geboten.“

Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) ist nach wie vor dagegen: „Die Kinder brauchen keine Mauern, sondern eine intensive Betreuung“, erklärte ihr Sprecher am Dienstag. „Mit Kinderknästen ändert man nichts“, findet auch Monika Herrmann (Grüne), Jugendstadträtin Friedrichshain-Kreuzberg. „Der Senat muss sich vielmehr um die organisierte Drogenkriminalität kümmern.“ Für ein eingesperrtes Kind fänden die Drogenbanden sofort Ersatz, der Job sei einfach zu verlockend. So würden manche Flüchtlingskinder, deren Familien keine Arbeitserlaubnis haben, mit der Dealerei den Lebensunterhalt ihrer Angehörigen verdienen. KATHLEEN FIETZ