: Der Elefant mit der Kamera
AUSSTELLUNG Seit den Entdeckungsreisen des 19. Jahrhunderts fühlen sich besonders die Kinder „Im Dschungel“ zu Hause, dessen Bild nun das Museum für Film und Fernsehen in einer speziellen Ausstellung für Kinder präzisiert
VON CORD RIECHELMANN
Man hat schon Veganer gesehen, die angesichts eines Moskitos zu rasenden Tierquälern wurden. Die kleinen stechenden Biester machen es den Tierfreunden nicht unbedingt leicht, an ihrer Vorliebe festzuhalten. Es ist daher zu begrüßen, dass die Ausstellung „Im Dschungel“ im Museum für Film und Fernsehen im Filmhaus am Potsdamer Platz mit einem Film zu den Stechmücken beginnt.
„How a mosquito operates“ von Winsor McCay aus dem Jahr 1912 ist allerdings auch eine filmhistorische Trouvaille. Der Zeichentrickfilm deutet mit fast immer rechtwinklig gehaltenen sparsamen Strichen einen häuslichen Raum an, in dem ein Moskito, immer hungrig und ein bisschen bösartig, seiner blutsaugenden Arbeit nachgeht. Eine Stechmücke in Aktion nimmt der für Kinder konzipierten Ausstellung gleich am Anfang etwas von der Illusion, im Dschungel sei das Leben womöglich paradiesisch harmonisch.
Die Angst, die einen im echten Dschungel wegen des undurchdringlichen Grüns mit den vielen verschiedenen Tönen und ihren versteckten Schallquellen befallen kann, wird hier aber immer kindergerecht moderat vermittelt. Der Dschungel gehört seit den großen Entdeckungsreisen der europäischen Kolonialisten in Südamerika und Afrika im 19. Jahrhundert zur amerikanischen und europäischen Kindheit. Ganz zu Recht steht deshalb Richard Kiplings „Dschungelbuch“ im Zentrum der Ausstellung.
Achtmal ist Kiplings Erzählung von Schlingpflanzen und furchtbaren Anstürmen von donnernden Büffelherden verfilmt worden. Die Filme waren wahrscheinlich neben den Tarzanfilmen für Generationen von Kindern das prägende Dschungelereignis. In Ausschnitten kann man sechs der Dschungelbuchadaptionen auf Bildschirmen ansehen. Wobei die Ausschnittauswahl generell für alle filmischen Exponate, die von Walt-Disney-Produktionen bis zu zeitgenössischen Fernsehdschungeldokumentationen reichen, gelungen ist. Man muss nicht alles ganz sehen, man bekommt einen Eindruck und kann zum nächsten Film weitergehen.
Man weiß ja schon als kleines Kind, wie der Dschungel geht und muss sich nicht ewig mit dem Immergleichen aufhalten. Interessant wird es aber immer dann, wenn in der Ausstellung die Fehler und Tricks der alten Dschungeldarstellungen dokumentiert und korrigiert werden. So hat Zoltan Korda seine Dschungelverfilmung von 1942 mit einem amerikanischen Schwarzbär gedreht. Schwarzbären leben aber nicht im Dschungel, bei Kippling waren es Lippenbären. Erklärt wird der Fehler beziehungsweise Trick auch mit Hilfe eines ausgestopften Schwarzbären, der mitten zwischen den Monitoren an einem Baum hängt. Didaktisch unaufdringlich führt der Weg von Kordas Schwarzbär zu den Produktionsproblemen heutiger filmischer Tiererzählungen. Am Beispiel von Jean-Jacques Annauds Tigerepos „Zwei Brüder“ wird erklärt, dass ohne Tiertrainer kein Film mehr möglich ist. Neben Ausschnitten zu den zwei Tigerbrüdern gibt es ein Making-off zum Film zu sehen mit Interviews der Trainer.
Es ist im Film viel passiert, seit Tarzan sich mit Lendenschurz und Fahrtenmesser von Liane zu Liane hangelte, um seinen Sohn vor zornigen Elefanten zu retten. Mussten früher Dschungeldokumentaristen ihre Kameras noch mit Handkarren, in der Regel von eingeborenen Helfern gezogen, durch die Büsche schleppen, so sind es heute Hubschrauber, die die Kameras führen. Außen am Fluggerät befestigt, liefern sie ferngesteuert jene Bilder vom Blätterdach der Regenwälder, bei denen man immer dachte, dass es der Kameramann da oben bestimmt nicht leicht hatte.
Überhaupt hat sich das Personal um die Kamera erstaunlich erweitert. In John Downers 2008 für den NDR und den Bayerischen Rundfunk gedrehten Dokumentarfilm „Die geheime Welt der Tiger“ waren es auch Elefanten, die die Kamera führten. Man hatte Indischen Elefanten die Kameras so umgebunden, dass sie Nahaufnahmen im Kontakt mit den menschenscheuen Tigern lieferten.
Wie lange solche Bilder überhaupt noch aus dem Dschungel gesendet werden können, ist angesichts der ungebremst fortschreitenden Vernichtung der Wälder zur Herstellung von zum Beispiel Toilettenpapier fraglich. Die Ausstellung handelt das Problem am Beispiel der Orang-Utans in den schwindenden Wäldern Borneos ab. Dass die Ausstellungsmacher des Museums für Film und Fernsehen es geschafft haben, das auf eine Art zu tun, die einen nicht aussichtslos depressiv zurücklässt, ist ihnen hoch anzurechnen.
Man kann ja etwas tun, den Dschungel studieren zum Beispiel. Dafür muss man am Anfang auch gar nicht in den Dschungel fahren. Das Berliner Naturkundemuseum und der Botanische Garten in Berlin-Dahlem bieten ausgezeichnete Möglichkeiten, in den Dschungel als Lebensraum einzutauchen.
■ „Im Dschungel“, Museum für Film und Fernsehen. Bis 30. Januar 2011