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Archiv-Artikel

Das Baltikum flimmert

Zur Ausstellung „mit allem rechnen. Medienkunst aus Estland, Lettland und Litauen“ zeigen die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen in der Dortmunder Phönix-Halle Kurzfilme und Videos

VON PETER ORTMANN

Die WM ist für Dortmund vorbei, doch in der Phoenix-Halle stehen sich immer noch zwei Fußballmannschaften in eleganten, maßgeschneiderten Designeranzügen gegenüber. Sie könnten nebenan auf dem dreiseitigen Spielfeld der London Psychogeographical Association (LPA) gegen einander antreten, als Teil der noch bis Sonntag laufenden Ausstellung „Glanz und Globalisierung“. Doch das ist nicht die Hauptattraktion im dreischiffigen Reserveteillager des ehemaligen Hochofenwerks. Zwei Tage lang sind die Macher der Kurzfilmtage Oberhausen hier zu Gast und lassen zusätzlich Videofilme aus dem Baltikum über Leinwände flimmern.

Darunter ist auch Deimantas Narkevicius. Er gehört zu den international bekanntesten Künstlern Litauens, seine Arbeiten wurden schon zweimal auf der Biennale von Venedig gezeigt. Sein Hauptinteresse gilt der Erforschung narrativer Strategien in Film und Video. Auch Laila Pakalnina hat als Regisseurin von Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen schon zahlreiche internationale Preise, unter anderem in Oberhausen und Cannes, gewonnen. Ihre Arbeiten widersetzen sich jeder Genrezuschreibung. Sie werfen einen poetischen Blick auf die Ränder der Gesellschaft, die Vereinsamung in urbanen Lebensräumen, die weit über ein spezifisch lettisches Phänomen hinausgeht. Zwei Filme von Jaan Toomik, der das baltische Trio in der Halle vervollständigt und einer der prominentesten Vertreter der zeitgenössischen Kunst Estlands ist, sind auch im Rahmen der Ausstellung „mit allem rechnen. Medienkunst aus Estland, Lettland und Litauen“ im Museum Ostwall zu sehen.

Der Hartware MedienKunstVerein zeigt parallel vierzehn internationale MedienkünstlerInnen, kuratiert von Leiterin Inke Arns, die sich alle mit den fünf thematischen Schwerpunkten des „Fanshops der Globalisierung“ auseinander setzen. Da untersuchen Ursula Biemann, Angela Sanders und Etta Gerdes zusammen mit Jens Sundheim neue Formen der transnationalen (Arbeits-)Migration, die maßgeblich durch die Globalisierung hervorgerufen werden. Der Bochumer Videokünstler Martin Brand ist dagegen bei Internetrecherchen auf drei Videoaufnahmen gestoßen, die aus verschiedenen Perspektiven das gleiche Geschehen dokumentieren: Eine verabredete Schlacht zwischen Hooligangruppen auf freiem Feld in den 1980ern. Die einzelnen Kopien, die schon jahrelang in der Szene kursierten, wurden anhand der Tonspur durch den Künstler miteinander synchronisiert. Die Videos führen ein unerwartetes ästhetisches Eigenleben, wobei Aggression und rohe Gewalt umso mehr über die Audioebene erfahrbar werden.

Der dreiseitige Fußball wird seit Beginn der 1990er Jahre von der neoistischen Luther Blissett Three-Sided Football League propagiert. Er wurde von dem afrikanischen Fußballspieler erfunden. Das erste Spiel wurde von der London Psychogeographical Association (LPA) organisiert und fand während der Glasgow Anarchist Summer School 1993 statt. Es handelt sich um ein Spiel, das mit drei Teams auf einem sechseckigen Spielfeld gespielt wird. Es gewinnt nicht diejenige Mannschaft, die die meisten Tore schießt, sondern diejenige, die am wenigsten Tore kassiert. Die London Psychogeographical Association erinnert daran.

Videos aus dem BaltikumFreitag und Samstag, 20:00 UhrInfos: 0231-4080279