George – no

Die Demonstranten beschimpfen den Präsidenten: „Bush, die hohle Nuss“

Die einzige zugelassene Demo gab es neben dem Stralsunder Bahnhof

VON BARBARA BOLLWAHN

Die Straßen, Fußgängerzonen und Plätze außerhalb der roten Zone in der Stralsunder Altstadt glichen gestern einer Geisterstadt. Nur eine Hand voll der Geschäfte und Cafés, die überhaupt öffnen durften, taten das. Denn Kunden gab es wegen der Absperrungen kaum. Die wenigen Menschen, die sich jenseits der Absperrgitter aufhielten, fotografierten oder filmten die parkenden Polizeifahrzeuge und die Hubschrauber, die am Himmel kreisten. Vielen erschien die Szenerie so absurd, dass sie nur noch Witzchen machten. „Bin Laden sitzt bei mir auf ’m Hof“, rief ein Mann lachend einem Nachbarn zu. „Ich hab geschlafen wie in Abrahams Schoß“, erzählte ein anderer beim Frühstück in einem Café, „500 Polizisten standen um mein Haus!“

Protest gegen den Besuch des amerikanischen Präsidenten war in der Innenstadt nicht erlaubt. Greenpeace musste seinen Stand „No Nukes. No War. No Bush!“ am Mittwochabend vor dem Rathaus am Alten Markt räumen, eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht, auch gestern Präsenz zeigen zu dürfen, war gescheitert. Zwei Aktivisten schafften es jedoch, zu Beginn des gestrigen ostdeutsch-amerikanischen Gipfeltreffens von Angela Merkel und George Bush vor 1.000 handverlesenen Gästen zu protestieren. Für wenige Minuten hing ihr Transparent gegen Nuklearwaffen, Krieg und Bush hoch oben auf der Nikolaikirche, die Merkel und Bush am frühen Nachmittag besuchten. Die beiden Männer wurden sofort festgenommen, ebenso drei weitere Aktivisten, die sich in einer Wohnung in der Altstadt aufhielten.

Die einzige zugelassene Demonstration gab es weitab vom Ort des offiziellen Geschehens, eine Viertelstunde zu Fuß vom Alten Mark entfernt. Ursprünglich wollte das bundesweite Friedensbündnis, das sich eigens für den Bush-Besuch in Mecklenburg-Vorpommern gegründet hat, unter dem Motto „Not Welcome, Mr. President“ an zwei Orten demonstrieren. Doch das Oberverwaltungsgericht hatte entschieden, dass es nur eine Demonstration geben dürfe – neben dem Stralsunder Bahnhof. In der kleinen Bahnhofshalle und auf dem Vorplatz kontrollierte die Polizei die Personalien und Rucksäcke ankommender Teilnehmer, während Demonstranten mit Gitarre und Geige „Bush, die hohle Nuss“ sangen und „Wir sind doch alle potenzielle Terroristen“. Transparente mussten entrollt werden, weil die Polizei sie für waffentauglich hielt. Der Veranstalter der Demonstration, der Rostocker Monty Schädel, war ziemlich sauer auf die Beamten, weil die ihn mit der Forderung nach Dixietoiletten und anderen Auflagen konfrontierten, die vom Gericht aufgehoben worden waren. „Das ist alles sehr ärgerlich“, sagte er. „Außerdem gab es Kontrollen in Zügen. Das trägt nicht zur Deeskalation bei.“

Während im Vorfeld der Demonstration immer wieder die Rede von 5.000 Teilnehmern war, kamen schließlich weniger als tausend in die ruhige Wohnstraße hinter den Bahngleisen, zum Teil waren sie aus Berlin und Hamburg angereist. Unter Regenbogen-Pace-Fahnen, Flaggen mit dem Konterfei von Karl Marx und Che Guevara, Transparenten „Ami go home“ und „Not welcome“ sammelten sie sich vor einer Bühne mit offenem Mikro – „offen für alle, außer für Nazis“, wie ein Sprecher betonte. Überraschender Gastredner war der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, der aus Berlin angereist war. Während die Partei der Grünen, die, wie es Organisator Monty Schädel nannte, „die Friedenspolitik wieder für sich entdeckt hat“, mit einem Pfeifkonzert bedacht wurde, erntete Ströbele Applaus für seine Rede. „Ich sehe es als meine demokratische Pflicht an, Bush und der US-Politik ganz deutlich zu sagen, dass sie hier nicht willkommen sind!“ Und: „Herr Bush, Sie treten jeden Tag die Menschenrechte mit Füßen. Schließen sie das Lager Guantánamo sofort!“

Angekündigt und explizit eingeladen war der Vizeministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und Umweltminister Wolfgang Methling von der Linkspartei. Sein Auftritt sorgte wenige Wochen vor der Landtagswahl für Verstimmung. SPD-Landeschef Till Backhaus hatte erklärt, dass damit „die Grenze des Ertragbaren endgültig erreicht sei“. Die oppositionelle CDU nannte es absurd, dass Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) den amerikanischen Präsidenten am Flughafen begrüßt und zeitgleich sein Vize „auf dem Weg zum Pfeifkonzert ist“. Methling, der in seiner Funktion als stellvertretender Bundesvorsitzender der Linkspartei sprach, sagte dazu, sehr zur Begeisterung der Demonstranten: „In welcher Funktion muss man den Mund halten?“ Er kritisierte „die selbst ernannte Rolle der USA, die Welt zu beherrschen“ und forderte sie auf, am Klimaschutz mitzuwirken. An die Demonstranten appellierte er, bevor sich der Zug am frühen Nachmittag in Bewegung setzte, friedlich zu bleiben. „Wir sind Antimilitaristen und dürfen nicht militant werden.“