: Fremde Wälder pflanzen
TAZ-SERIE Das Klima wandelt Deutschland: Jetzt entscheidet sich, wie der Wald der Zukunft aussieht. Die einen suchen neue Arten im Ausland, andere setzen auf heimische Urwälder
■ Der Klimawandel hat bereits begonnen, und seine Auswirkungen werden auch Deutschland treffen. Die Wissenschaftler sagen in ihren Modellen unter anderem mehr Hitze im Sommer, mehr Regen im Winter und eine Zunahme sogenannter extremer Wetter wie Stürme voraus. Langfristig planende Branchen müssen dies einkalkulieren. Tun sie das? Die taz hat nachgefragt in der Land- und Forstwirtschaft, der Wasserwirtschaft, in der Baubranche, bei Stadtplanern und Gesundheitsexperten. In diesen Wochen berichten wir in unserer Sommerserie darüber, wie das künftige Klima schon jetzt Wirtschaft und Umwelt in Deutschland verändert. (taz)
VON HEIKE HOLDINGHAUSEN
Wie die Greifzangen eines riesigen Insekts krallen sich die Messer des Harvester um die Fichtenstämme, sägen sie ab, ratschen in Sekundenschnelle die Äste ab und legen sie auf einen ordentlichen Stapel. Im Revier Theerofen, nördlich von Berlin, wird Holz geerntet. Für die Erntemaschine ist das ungefähr so anstrengend wie für Forstoberinspektor Stefan Kruppke, einen Grashalm abzuknicken.
Kruppke ist 46, klein und drahtig, trägt ein Basecap zu Wanderstiefeln und beaufsichtigt zusammen mit seinem Wachtelhund den Holzfäller. Das Revier des Försters liegt im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, hier wächst ein naturnaher Wald, Kiefern, Buchen, Eichen, dazwischen Linden, Birken, Robinien. „Ich möchte aber gar nicht so viel Input liefern“, sagt Kruppke. An den Standort angepasste Baumarten würden sich selbst ansiedeln, wenn man sie ließe. „Was weiß denn ich, was in einigen Jahrzehnten gut für den Wald ist?“
Forstämter, Wissenschaftler und Waldbesitzer fragen sich derzeit, wie sie den Wald auf den Klimawandel vorbereiten können. Denn das Wachstum von Bäumen wird nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten oder Jahrhunderten gezählt. Bäume, die heute gepflanzt werden, müssen auch mit den klimatischen Bedingungen in 50 Jahren zurechtkommen. Die Fichte zum Beispiel, die fast die Hälfte des deutschen Waldes ausmacht, verträgt Trockenheit oder Stürme nur schlecht. Die Eiche wiederum tut sich schwer mit Wasserschwankungen.
„Wie soll man sich auf die Modelle der Klimaforscher einstellen?“, fragt sich auch Peter Hawighorst vom Institut für Forstbotanik und Baumphysiologie der Uni Göttingen. Die Annahmen über Anstieg und Schwankung der Temperatur seien unterschiedlich, eindeutige Prognosen gebe es nicht. „Die Herausforderung besteht darin, geeignete adaptive Strategien der Waldbewirtschaftung zu entwickeln und umzusetzen“, schreiben Wissenschaftler, die unter Federführung des Freiburger Instituts für Forst- und Umweltpolitik versucht haben, eine zukunftsfähige Waldpolitik in Deutschland zu entwerfen. Doch wie solche Strategien aussehen können, darüber streitet die Fachwelt.
Ein Weg könnten Baumarten aus wärmeren oder trockenen Klimazonen sein, die die Fichte ersetzen könnten. Hawighorst zum Beispiel erforschte in einem vom Bundesforschungsministerium finanzierten Projekt Einsatzmöglichkeiten der „Großen Küstentanne“. Der riesige Nadelbaum ist eigentlich in den USA beheimatet. Am Ende ihrer Untersuchung war für die Forstwissenschaftler klar, dass die Tanne ein großes Potenzial für das heimische heimische Ökosystem besitzt. Ihr Holz lasse sich gut verarbeiten, mit warmem und trockenem Klima komme sie gut zurecht. Ähnliche Hoffnungen liegen auf einem anderen Nadelbaum, der Douglasie.
Stefan Kruppke, Förster
Kritiker warnen jedoch davor, die ökologisch armseligen Fichtenforste durch Monokulturen anderer Arten zu ersetzen. Sie fordern einen Waldumbau hin zu „klimaplastischen Wäldern“. In den landespolitischen Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Brandenburg etwa heißt es, „Nadelholzbestände sollten in Mischwaldbestände“ umgewandelt werden.
„Baumartenreiche Waldgesellschaften mit vielen Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft“ hätten am ehesten die Fähigkeit, sich an neue Klimabedingungen anzupassen.
Revierförster Kruppke ist ein Anhänger dieses Models, aber er beschreibt es anders. Als Förster arbeite er zwar mit einem sehr weiten Zeithorizont. „100 Jahre vorausdenken kann ich aber trotzdem nicht“, sagt er. Darum versucht er, die Selbsterhaltungskräfte des Waldes zu erhalten oder wiederherzustellen. Sehr alte Bäume dürfen auch einmal absterben, umstürzen und so Platz machen für neue Pflanzen. Zudem lässt er die Biber gewähren, deren Tagwerk, nicht immer zur Freude der Landwirte, für überflutete Wiesen und Wald sorgen. Das schafft Feuchtgebiete und reguliert den Wasserhaushalt. „Ich versuche, mich so zu verhalten, dass mir der Wald gnädig gestimmt ist“, sagt Kruppke.