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Archiv-Artikel

Bahn drohen Milliarden-Verluste im Nahverkehr

REGIONALVERKEHR Gericht stärkt Wettbewerb. Kilometerpreise für S-Bahnen dürften fallen

BOCHUM taz | Der Deutschen Bahn drohen künftig Ertragseinbußen in Milliardenhöhe. Denn im ertragreichen, weil hoch subventionierten Nahverkehr muss sich das Unternehmen auf verschärfte Konkurrenz einstellen: Ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom Mittwoch fordert die Ausschreibung aller Bahndienstleistungen. Der Betrieb von S-Bahnen oder Regionalexpress-Linien dürfe nicht einfach an die Staatsbahn vergeben werden, so die Richter.

Hintergrund des Verfahrens ist ein jahrelanger Rechtsstreit des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) mit der Bahn. Dieser hatte 2007 seinen Vertrag mit der DB wegen Qualitätsmängeln gekündigt: Zu unpünktlich, zu schmutzig, zu unsicher und wohl auch zu teuer seien die Züge der Staatsbahn, argumentierte der VRR und wollte stattdessen verstärkt auf private Betreiber wie die Firma Abellio Rail setzen. Doch die DB zog vor Gericht und gewann: In erster Instanz verurteilte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen den VRR zu Nachzahlungen in Millionenhöhe.

Um die nicht leisten zu müssen, einigten sich beide Seiten außergerichtlich: Zwar verzichtete die Bahn auf einen Teil ihrer Forderungen. Doch dafür bekam das Staatsunternehmen den Zuschlag, die S-Bahnen an Rhein und Ruhr statt bis zum Jahr 2018 bis 2023 weiterbetreiben zu können – ohne jede Ausschreibung und Angebote der Konkurrenz. Rechtswidrig sei das, befanden jetzt die Düsseldorfer Richter. Abschließend urteilen soll aber der Bundesgerichtshof (BGH).

Bei den Klägern, der niederländischen Bahn-Tochter Abellio und der britischen Wersus Public Transport, sieht man sich trotzdem „auf dem richtigen Weg“. Denn deren Anwalt Clemens Antweiler hält auch einen Sieg vor dem BGH für wahrscheinlich: „Das Düsseldorfer Urteil ist ein klares Signal für mehr Wettbewerb auf der Schiene“, so Antweiler zur taz. „Und der BGH hat den Wettbewerb schon in der Vergangenheit gestärkt.“

Für gute Laune sorgt das Urteil selbst beim VRR. Zwar spricht dessen Sprecherin von einer „Niederlage“. Doch intern hoffen viele auf Einsparmöglichkeiten. Genaue Zahlen will der Verbund mit Hinweis auf das Geschäftsgeheimnis nicht nennen. Doch Insider rechnen dank Konkurrenz mit sinkenden Kilometerpreisen: Statt bis zu 8 Euro 50 könnte der Kilometer Nahverkehr bald nur noch 75 Cent kosten. ANDREAS WYPUTTA

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