: Viel Geld für schwarze Sicht
ÜBERWACHUNG Das Oberverwaltungsgericht hat der Polizei untersagt, Reeperbahn-Hauseingänge zu filmen. Jetzt muss teuer nachgebessert werden
Eine Reeperbahn-Anwohnerin wehrte sich erfolgreich gegen eine der zwölf Überwachungskameras, die ihren Hauseingang filmte:
■ Die Kamera darf nicht länger den Hauseingang der Klägerin filmen. Alle zwölf Kameras blenden nun Wohnungen und Hauseingänge aus.
■ Mit dem Filmen von Hauseingängen lassen sich Bewegungsprofile erstellen und das ist unzulässig.
■ An Kriminalitätsbrennpunkten ist die Überwachung öffentlicher Straßen und Plätze zulässig.
Einen Monat ist es jetzt her, seit das Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) entschieden hat, dass Haus- und Kneipeneingänge für Überwachungskameras tabu sind. Erlaubt ist zwar weiterhin die Videoüberwachung an sogenannten Kriminalitätsbrennpunkten wie auf der Reeperbahn. Aber alles, was dort nicht öffentliche Straße oder Platz ist, darf nicht mehr gefilmt werden. Gerade in Hauseingängen ließen sich Bewegungsprofile der Bewohner erstellen und das entbehre jeder rechtlichen Grundlage, so das Urteil.
Eine Anwohnerin hatte 2006 zum ersten Mal vor dem Verwaltungsgericht dagegen geklagt, dass eine der Überwachungskameras ihre Wohnung und ihren Hauseingang filmte. Das Urteil damals: Die Kamera musste beim Schwenken über ihre Fenster blind geschaltet werden, der Hauseingang durfte weiter gefilmt werden. Sie legte Berufung ein und das OVG verbot jetzt auch das Filmen des Eingangs.
„Wir haben dieses Urteil sofort für alle zwölf Kameras auf der Reeperbahn umgesetzt“, sagte ein Sprecher der Polizei und wies damit Medienberichte zurück, nach denen der Polizei nach der erfolgreichen Klage eine Klagewelle weiterer Anwohner drohe, die eine Kamera auf sich gerichtet sehen. „Alle Kameras schalten nun automatisch nicht mehr nur bei Wohnungsfenstern blind, sondern auch, wenn sie über einen Hauseingang schwenken“, so der Sprecher.
„Das ist mir neu“, sagt der Anwalt der Klägerin, Dirk Audörsch. Als seine Mandantin im ersten Verfahren erwirkte, dass die Überwachungsbilder ihrer Wohnung unkenntlich gemacht werden mussten, musste erst eine Firma beauftragt werden, um das technisch umzusetzen. „Und jetzt soll das so schnell gehen?“ Audörschs Mandantin ist zufrieden, dass sie nun ungefilmt ihre Wohnung betreten und verlassen kann. Was das Urteil für das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei bedeuten kann, kann Audörsch noch nicht sagen. Er wartet noch auf die schriftliche Ausführung des Urteils.
„Es wäre wünschenswert, wenn dieses Urteil dazu führt, dass in Zukunft vor dem Installieren von Kameras eine Evaluation durchgeführt wird“, sagt Nils Zurawski, Professor für Soziologie an der Uni Hamburg, „statt im Nachhinein für viel Geld die Überwachungssysteme nachzubessern.“ ILKA KREUTZTRÄGER