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Archiv-Artikel

„Liebe und Entführung“

LESUNG Drei Schulklassen haben ihre eigenen Romane geschrieben. Jetzt werden sie präsentiert

Von MBW
Katrin Seddig

■ 45, Schriftstellerin und taz-Kolumnistin, war jetzt zum zweiten Mal Schreibcoach. Foto: Lou Probsthayn

taz: Frau Seddig, Sie haben als eine von drei Coaches beim Schreiben eines „Schulhausromans“ geholfen. Was genau ist das?

Katrin Seddig: Das ist ein längerer Text, den ein Autor zusammen mit einer Schulklasse, ab der 7. Klasse, entwickelt und schreibt. Es heißt zwar Roman, aber hat in der Regel nicht mehr als 40 Seiten.

Wie funktioniert das?

Wir arbeiten über mehrere Wochen im Deutschunterricht zusammen. Die ganze Klasse findet gemeinsam ein Thema und schreibt an einer Geschichte. Der Schreibcoach führt die Texte zu einer Geschichte zusammen. Und heute Abend lesen wir die drei Romane im Literaturhaus.

Machen die Kinder gerne mit?

Am Anfang freuen sie sich über die Abwechslung. Natürlich gibt es welche, die Lust haben, und andere nicht. Im Laufe der Zeit steigen immer mehr Kinder ein – und merken, dass sie schreiben können.

Wovon handelt so ein Roman?

In unserem Fall waren es immer recht dramatische Geschichten: Liebe, Eifersucht, Entführung. Meist gibt es nicht nur eine Hauptfigur, sondern Freundesgruppen. Stellen, die man als Erwachsener witzig findet, meinen die Kinder bitterernst. Ich finde andere Stellen, die die Beteiligten meist belanglos finden, viel dramatischer.

Zum Beispiel?

Wenn die Schüler Situationen beschreiben, die im Elternhaus stattfinden – also wie miteinander geredet wird oder was da passiert. Da kommen mir manchmal Sachen komisch vor. Wenn Kinder schreiben, dann erzählen sie, ob sie wollen oder nicht, immer einiges über ihr eigenes Leben. Das zeigt sich in der Art und Weise, wie ein Kind Situationen beschreibt oder was für Ideen ihm kommen.

Worum geht es dem Projekt?

Die Schüler sollen einen Bezug zu Schreiben und Text bekommen. Sie sollen sich im Projekt entwickeln und etwas Gutes für sich daraus ziehen. Auch wenn es nur für einen Moment ist, hinterlässt so eine Erfahrung eine Spur.

Klappt das so ohne Weiteres?

Viele Kinder haben kein Vertrauen zu sich selbst. Ihre Rechtschreibung und Grammatik ist schlecht, bei einigen sind die Deutschkenntnisse prekär. Sie denken, dass sie nicht schreiben können, und dann wollen sie auch nicht. Aber wenn sie merken, dass sie ernst genommen werden, gibt ihnen das Selbstvertrauen. Und durch das gemeinsame Arbeiten an einem Projekt verbessert sich der Klassenzusammenhalt.  INTERVIEW: MBW

19 Uhr, Literaturhaus