: Pfusch verspätet finnischen AKW-Neubau
Finnlands neuer Reaktor kommt ein Jahr später als geplant ans Netz, weil immer neue Fehler gefunden werden. Blamage für Atomfirma Siemens-Framatome. Regierung in Helsinki will trotzdem einen sechsten Reaktor beschließen
STOCKHOLM taz ■ Der neue Atomreaktor, der derzeit in Olkiluoto im westlichen Finnland entsteht, werde wohl erst im Sommer 2010 in Betrieb gehen – und damit mit einem Jahr Verspätung. Dies musste jetzt die Betreibergesellschaft Teollisuuden Voima (TVO) einräumen.
Dass sich der erste AKW-Neubau in der EU seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl immer weiter verzögert, hat einen eindeutigen Grund: Pfusch am Bau. Schon im Januar, gerade einmal fünf Monate nach der Grundsteinlegung, war erstmals von einer Verspätung die Rede gewesen – damals zunächst nur von einem halben Jahr.
Für Framatome-Siemens ist die erneute Verzögerung keine gute Reklame. Die französisch-deutsche Atomfirma, bei der TVO ein schlüsselfertiges AKW bestellt hat, ist für die von ihr angeheuerten über 1.000 Subunternehmer verantwortlich. „Es hat für einen Teil unserer Unterlieferanten unglaublich lange gedauert, bis sie auf das von uns geforderte Niveau gekommen sind“, erklärt Martin Landtman, der Projektchef des Bauherrn TVO. Jedes Mal, wenn Qualitätskontrollen Probleme zeigten, könne dies Verzögerungen für weite Teile des Baus bedeuten.
Finnische Medien berichten bereits mit unverblümter Schadenfreude, dass einheimische Firmen so gut wie keine Aufträge für den Neubau bekommen hätten, weil Framatome-Siemens die billigere ausländische Konkurrenz vorgezogen habe. Nun sehe man die Konsequenzen.
Firmen aus 26 Ländern sind am Bau beschäftigt. Fehler sind auf allen Ebenen entdeckt worden, nicht nur bei der Bauausführung selbst. Auch die Bauplanung müsse ständig revidiert werden, berichtet Landtman: „Es ist eben Jahre her, dass zuletzt in der westlichen Welt eine solche Anlage gebaut wurde.“ Die Bedenken von AKW-KritikerInnen, die von Anfang an vor unzureichender Planung und dem offenkundigen Discountpreis gewarnt hatten, scheinen nur zu berechtigt.
TVO hatte einen Festpreis von 3 Milliarden Euro ausgehandelt. Die wegen der Verzögerungen erhöhten Baukosten werden Siemens & Co. daher allein zu tragen haben. Die verspätete Inbetriebnahme dürfte auch die Kalkulation der Firmen durcheinanderbringen, die den Bau finanzieren und damit Anteile an der Stromproduktion erworben haben. Sie müssen nun länger als geplant auf vorhandene Stromlieferanten zurückgreifen.
Trotz der Schwierigkeiten mit dem Bau sehen laut einer Umfrage der Zeitung Helsingin Sanomat zwei Drittel der FinnInnen einen weiteren Ausbau der Atomkraft positiv. Im Herbst soll im Parlament der mögliche Bau eines sechsten Atomreaktors debattiert werden. Die Atomlobby hofft auf einen positiven Beschluss nach den Parlamentswahlen im Frühjahr 2007. Selbst Finnlands Grüne, die wegen der Entscheidung für den Bau des Reaktors in Olkiluoto 2002 die Regierung verlassen haben, können sich mittlerweile durchaus eine künftige Mitarbeit in einer atomkraftfreundlichen Koalition vorstellen. REINHARD WOLFF