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Archiv-Artikel

Wenn ich zu viel Pommes hatte

KONZERT Die Berliner Duos Jeans Team und Nachlader spielten am Freitag im Rosi’s und zeigten, wie man mit deutschen Texten Spaß hat

„Ich bin hier nur der Cocktailständer/ Aber ich bin dankbar, dass ich hier sein darf“

JEANS TEAM

Sie sind zu zweit, und sie können es noch. Am Freitagabend traten die Berliner Formationen Nachlader und Jeans Team im Rahmen der Popmonitornacht im Rosi’s in Friedrichshain auf. Zwei Duos, die vor Jahren frisch und zukunftsweisend waren, knüpften im Rahmen eines Musikabends im Jugendkulturzentrum für Twens und Ältere mit Saunagarantie, klaustrophobischer Enge und anschließender Indie-Zappeldisko mit den größten Hits aus den üblichen Zusammenhängen an alte Zeiten an. Das Erstaunliche war, dass das ganz gut klappte. Allen Umständen zum Trotz.

Wobei Nachlader, also der gebürtige Berliner Daniel Baumann mit variierender Unterstützung, die Stimmung gut anheizen konnten. Eine prima Auftaktband, schien es, mit griffigen Slogans und ordentlich Bässen. Nachlader sind eine Spaßtruppe mit zuweilen hintergründigem Humor. „Fett sind die Beats auf meiner neuen Platte/ fett werde ich, wenn ich zu viel Pommes hatte“, aber es geht auch etwas weniger albern, zum Beispiel im Antineoliberalismus-Hit „Arbeitsgeld“. Das Publikum war angetan, wurde mit Neonleuchten ausgerüstet und konnte teilweise die Texte. Musikalisch allerdings wurde nicht immer ganz klar, welche Nische Nachlader jetzt eigentlich genau besetzen und ausweiten wollen. Wer möchte jenseits dieser Tanzveranstaltung noch ernsthaft Diskoschlager hören? Und wollen die auf dem Ballermann nicht auch lieber den echten Scheiß, statt sich mit seltsam dadaistischen Texten und Kritik am Lohnsystem auseinandersetzen zu müssen?

Auch das Jeans Team ist inzwischen nur noch zu zweit. Franz Schütte und Reimo Herfort machten aber vom ersten Ton an klar, dass sie etwas distinguierter unterwegs sind als ihre Vorgänger – die Kiste lief, die Beats waren immer schön smooth auf die 12, die Texte sind angenehm spartanisch, und als Duo funktionierten sie perfekt, weil sie ihr jeweiliges Gegengewicht bildeten. Der Zappelige, der Ruhige. Der Ekstatische, der Coole. Der mit der hohen, der mit der gesetzten Stimme. Der Verlorene, der Erhabene. Herfort und Schütte müssen auf der Bühne darüber hinaus nicht viel machen. Die Beats kommen aus der Dose, und zwar wuchtig genug, die Ausflüge in die klassische Bandformation der letzten Platte „Kopf auf“ scheinen vorbei. Hits wie „Das Zelt“ erfahren ihren Live-Dance-Remix. Den Rest besorgt das Publikum.

Das Verhältnis zum deutschen Schlager, um den man an diesem Abend irgendwie nicht herumkam, ist beim Jeans Team eher von subtiler Kritik geprägt. „Er fasst der Heidi. Fast. Der Heidi. Fast. Von hinten.“ In dieser Distanz, überhaupt im bedächtigen Einsatz der Worte, die gern mit Selbstironie („Ich bin hier nur der Cocktailständer/ Aber ich bin dankbar, dass ich hier sein darf“) oder der Gefahr spielen („Wir sind die Jungs vom Waffenladen/ Komm rein, schau dich um“) wie natürlich im Einsatz der elektronischen Mittel sind sie die perfekten Söhne des Duos Delgado/Görl alias DAF, nur dass die Hintergründe etwas netter sind, alles weniger kaputt, dafür feierlauniger ist und natürlich auch nicht versucht wird, die Homoerotik aus rechten Springerstiefeln zu schwitzen. Die Zeiten, allem neoliberalen Druck zum Trotz, sind andere. Es herrscht Harmonie statt Härte.

Interessant wird sein, wie es weitergeht. Die Schallplattenindustrie darbt, und Berliner Vorzeigeprojekte verschwinden in den Tiefen des Internets. Die Plattenfirmen Kitty Yo und Louisville sind Vergangenheit, für das Jeans Team aus den einen oder anderen Gründen. Vom cleveren deutschen Text hat man genug gehört, und Feiern wird ab 35 schwieriger. Sie werden sich also was einfallen lassen müssen. Aber sie sind zu zweit und können es noch. RENÉ HAMANN