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Archiv-Artikel

Einzug der Sparminatoren

Die dem Schuldensenken alle anderen Politik-Ziele unterordnen: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff wandelt beim Etatplan 2007 auf dem „Pfad der Tugend“ – die Kollegen in Hamburg und Schleswig-Holstein tun es ihm gleich

von KAI SCHÖNEBERG

Ausgerechnet mit einem Artikel aus der taz hatte Christian Wulff seine Minister auf die anstehende Sparrunde eingestimmt. Gleich zu Beginn der zweitägigen Kabinettsklausur im Kloster Wennigsen bei Hannover ließ Niedersachsens CDU-Regierungschef den Kommentar zum Event an die Ressortchefs verteilen. Titel: „Schulden machen ist unsozial“. Das Klausur-Ergebnis war entsprechend: Niedersachsens Sparkommissare bekamen recht. Es gibt kaum Extrawürste – trotz erwarteter Mehrwertsteuererträge in Höhe von fast 630 Millionen Euro, sprudelnden Steuereinnahmen und regem Zufluss von EU-Mitteln.

Er sei „erleichtert darüber, dass der Pfad der Tugend nicht verlassen worden ist“, lobte sich Wulff gestern bei der Vorstellung des Etatplans für das Jahr 2007 selbst. Der Pfad der Tugend, das heißt: Schulden senken, raus aus der Pleite. Die Einführung eines beitragsfreien Kita-Jahrs wäre „sinnvoll“ gewesen, sagte Wulff, „aber wir haben das Geld nicht“. Anders als im Saarland, Rheinland-Pfalz und in künftig in Hessen soll es in Niedersachsen keine Gratis-Kita geben.

Statt der 90 Millionen Euro, die das gekostet hätte, kleckert Wulff mit 25 Millionen Euro für Tagesmütter und flexiblere Öffnungszeiten in Kindergärten. Auch aus dem Innovationsfonds für Wirtschaft und Straßenbau, wie FDP-Wirtschaftsminister Walter Hirche ihn gefordert hatte – Kostenpunkt 140 Millionen Euro – wird vorerst nichts. Stattdessen gibt das Land 50 Millionen für den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven, 8 Millionen für die Erweiterung des Braker Hafens, 17 Millionen für den Forschungsflughafen in Braunschweig und fast 12 Millionen für ein Energieforschungszentrum in Goslar. Durch Zuschüsse in Höhe von je 2.500 Euro sollen zudem 2.000 Ausbildungsplätze subventioniert werden. Den dicksten Brocken fahren die Beamten ein: Sie sollen 2007 einmalig 860 Euro erhalten – insgesamt 128 Millionen –, im Jahr darauf folgt eine Tarifsteigerung in Höhe von drei Prozent.

Statt von Wahlgeschenken sprach Wulff lieber vom berühmten „nackten Mann“ und dessen Taschen. Mit der beschlossenen erneuten Senkung der Neuverschuldung – um 350 Millionen auf 1,45 Milliarden Euro – sei Niedersachsen bundesweit Spitzenreiter im Miesen-Abbau. Während der Bund der Steuerzahler kritisierte, das sei „bei weitem zu wenig, um der Schuldenspirale zu entrinnen“, befand die SPD in Hannover, der Etat sei „mut- und ideenlos“. Dass die Geldspritzen für die ganz Kleinen „lediglich haushaltspolitische Trostpflästerchen“ seien, bemängelten die Grünen.

Allerdings liegt Wulffs Haushalt im Trend. Sonntagsreden hin und her: Im hohen Norden will die schwarz-rote Landesregierung sogar testen, ob Kindergärten mit weniger Fachpersonal auskommen können – so steht es im Kabinettsbeschluss für den schleswig-holsteinischen Doppelhaushalt 2007/2008. „Unsere Kinder sind keine Versuchskaninchen für irgendwelche Experimentierklauseln‘“, hatte deswegen nicht nur die Lehrergewerkschaft GEW geätzt. Vergebens: CDU-Regierungschef Peter Harry Carstensen geriert sich als Kieler Sparminator. Die „finanzpolitische Wende“ sei nötig, um „die größte Sparaktion in der Geschichte Schleswig-Holsteins“ auf den Weg zu bringen. Dabei fließen auch in Carstensens Etat allein durch die Mehrwertsteuer-Erhöhung im kommenden Jahr 167 Millionen zusätzlich.

Auch in Hamburg schwingt CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner trotz guter Konjunkturdaten die Sparkeule: Kein Ressort bekommt in den kommenden zwei Jahren mehr Geld. Neue politische Schwerpunkte seien „nicht bezahlbar“. In diesem Jahr muss Hamburg jeden siebten Euro seiner Steuereinnahmen für Zinsen ausgeben. Auch hier soll die Neuverschuldung gesenkt werden, von derzeit 650 auf 400 Millionen Euro im Jahr 2010. Ausgerechnet das Haushaltsnotlageland Bremen tut hingegen wenig gegen die Klammheit: In Sachen Pro-Kopf-Verschuldung ist der dortige rot-schwarze Senat im Ländervergleich mit 18.564 Euro und einem Anstieg von gut neun Prozent Spitze. Hamburg liegt mit einem Plus von fast vier Prozent und 12.173 Euro auf Platz 14. Jeder Schleswig-Holsteiner hatte im vergangenen Jahr 7.386 Euro Schulden (Platz 11), Niedersachsen liegt mit fast 6.000 Euro pro Nase mittlerweile auf Platz 5 des Schuldenrankings.