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Archiv-Artikel

baumgarten antwortet nicht von JAN ULLRICH

Die Frau, berichtet Baumgarten, habe ihn angerufen und gefragt, ob er Hilfe brauche. Zunächst habe sich Baumgarten geschmeichelt gefühlt, dann habe sich jedoch herausgestellt, dass sie Mitarbeiterin des Autohauses Gessler gewesen sei, bei dem er vor einem Jahr einen Gebrauchtwagen erworben hätte. Die Frau habe ihm lediglich eine Reihe von preiswerten Leistungen präsentieren wollen, worauf Baumgarten das Gespräch enttäuscht sofort wieder beendet habe.

In den nächsten Tagen habe die Frau ihre Anrufe jedoch fortgesetzt. Unter anderem habe sie ihm die goldene Gessler-Kundenkarte, das Kartenset „Asien/Mitte“ sowie die Möglichkeit, sein Handy kostengünstig aufzuladen, offeriert. Baumgarten habe die Angebote nicht annehmen und auch sein Handy nicht aufladen wollen, allein schon um zu verhindern, dass ihm das Autohaus Gessler Angebote künftig auch noch per SMS schicke. Um weitere Gespräche in Zukunft zu vermeiden, habe sich Baumgarten stattdessen entschlossen, zu bestimmten Zeiten auf das Telefon zu verzichten. So sei er am Donnerstagnachmittag, den ganzen Mittwoch und am Montagvormittag nicht mehr ans Telefon gegangen. Lieber habe er es einfach läuten lassen.

Dies habe zu einer gewissen Vereinsamung geführt, da Freunde und Bekannte oft vergeblich versucht hätten, ihn zu erreichen. Die Frau vom Autohaus Gessler aber habe sich nicht davon abhalten lassen, ihn weiter telefonisch vor allem am Freitagvormittag und am gesamten Dienstag mit Lockangeboten und Sondertarifen zu belästigen. Dabei habe es wenig geholfen, dass sich Baumgarten zuweilen mit verstellter Stimme oder falschem Namen gemeldet habe.

Baumgarten habe deshalb überlegt, dem Autohaus Gessler seinerseits Leistungen zu offerieren, wobei er vor allem an den alten Teppich aus dem Flur, eine nie angebrachte Hängelampe aus dem Wohnzimmer und seine defekte elektrische Zahnbürste gedacht habe.

Nachdem ihm besagte Frau aber sogar nachts mit Hilfe einer Tonbandansage weitere Angebote gemacht habe, habe sich Baumgarten entschlossen, sofort zum Autohaus Gessler zu fahren, um dort einzudringen, die Telefonanlage eigenhändig zu zerstören und die Telefonistin notfalls zu entführen und außer Landes zu schaffen. Dort angekommen, sei er jedoch schon beim Einparken gegen einen in der Dunkelheit nur schlecht sichtbaren Pfeiler gerammt, der größere Teile der Rückfront seines Autos zerstört habe. Der Wagen sei nicht mehr verkehrstüchtig gewesen, weshalb Baumgarten seinen Einbruchsversuch abgebrochen und zu Fuß nach Hause gegangen sei. Seitdem fahre er kein Auto mehr.

Am nächsten Tag habe er sein Telefon abgemeldet. Von da an habe er keine Anrufe mehr bekommen. Er höre es aber ab und zu noch klingeln. Um die Übersendung von Postwerbesendungen zu verhindern, plane er zudem einen Wohnortwechsel, notfalls eine Namensänderung. Baumgarten betonte abschließend, er sei sicher, die Frau und das Autohaus Gessler würden weiter versuchen, ihm Sonderangebote zu unterbreiten. Er werde aber, auch wenn sie besonders günstig ausfallen sollten, nicht auf diese zurückgreifen. Das sei er beiden schuldig.