: Deutsche mit dabei?
AUS BERLIN JENS KÖNIG
Obwohl das Zustandekommen einer UN-Mission zur Befriedung des Nahostkonflikts noch völlig ungewiss scheint, obwohl eine solche Friedenstruppe bislang nur eine „Idee“, aber „noch kein Vorschlag“ ist, wie Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier betont, obwohl selbst die Vereinten Nationen dazu „mehr Fragen als Antworten“ haben, wie Diplomaten einräumen – die Debatte darüber reißt nicht ab, auch in Deutschland nicht. Wenn der Auswärtige Ausschuss des Bundestages heute zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenkommt, dann wird er auch über den von UN-Generalsekretär Kofi Annan unterbreiteten Vorschlag einer UN-Stabilisierungstruppe zwischen Israel und Libanon sprechen.
Was diese Frage für die Parteien in Deutschland so brisant macht, ist ja nicht nur deren Bedeutung für die Lösung eines Jahrhundertkonflikts – sondern auch deren innenpolitische Sprengkraft. Würde sich die Bundeswehr an einer solchen Nahost-Friedenstruppe beteiligen und hätte diese ein robustes Mandat, dann könnte es passieren, dass deutsche Soldaten ihre Gewehre und Panzer im Zweifelsfall auch auf Juden richteten. Ein Gedanke, der noch vor kurzem undenkbar schien.
Die deutsche Politik hat mit dieser ungebrochenen historischen Sensibilität ausreichend Erfahrung gemacht, das letzte Mal vor vier Jahren. Anfang April 2002 legte Joschka Fischer einen Nahost-Friedensplan vor, der eine „wirksame Sicherheitskomponente“ auch der Europäer vorsah. Bundeskanzler Gerhard Schröder trat ein paar Tage später durch eine luftige Äußerung über einen möglichen Bundeswehr-Einsatz in Israel eine aufgeregte Debatte über das deutsche Selbstverständnis los. Teile der Öffentlichkeit warfen Schröder und Fischer eine „Entsorgung der deutschen Geschichte“ vor.
Die jetzige Bundesregierung weiß selbstverständlich um die historisch bedingte Ausnahmesituation. Deswegen ist sie ja so bemüht, in dieser Frage größtmögliche Zurückhaltung zu üben. Die Kanzlerin ließ über ihren Regierungssprecher gestern noch einmal ihren Standpunkt wiederholen: „Eine Beteiligung der Bundeswehr an einer solchen UN-Mission ist gegenwärtig kein Thema.“
Angela Merkel möchte jedes falsche Wort zur falschen Zeit vermeiden. Zunächst müssten die UN-Gesandten ihre Sondierungen beenden, hieß es gestern in der Bundesregierung, dann könnte Kofi Annan einen Bericht erstellen und auf dessen Grundlage der UN-Sicherheitsrat Entscheidungen treffen. Zwei Prämissen nannte die Regierung für eine UN-Mission. Sie müsse ein anderes, „weiter führendes“ Mandat haben als die jetzige UN-Truppe im Südlibanon, die die Entwaffnung der Hisbollah nicht durchsetzen konnte. Und Libanon sowie Israel müssten der UN-Mission in ihrem Grenzgebiet zustimmen. „Wenn es zu einer solchen Mission kommt, wird sich Europa seiner Verantwortung nicht entziehen können und einen Beitrag leisten müssen“, so der Regierungssprecher.
Es könnte gut sein, dass in einem solchen Fall auch Deutschland seinen Beitrag wird leisten müssen. Die im Bundestag vertreten Parteien sehen das jedenfalls so – mit Ausnahme der Linksfraktion. Aber von Union bis hin zu den Grünen gibt es vorsichtige Zustimmung zu der von allen als „hypothetisch“ eingestuften Frage einer deutschen Beteiligung. Gert Weisskirchen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte der taz, eine solche Frage sei natürlich „unter dem Blickwinkel der deutschen Geschichte“ zu bewerten. Aber bei Erfüllung aller Voraussetzungen sehe er nicht, warum sich die Bundeswehr im Rahmen eines europäischen Kontingents ihrer Verpflichtung entziehen sollte. Auch der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer betonte die „historischen und politischen Sensibilitäten“ dieser Debatte. „Das deutsch-israelische Verhältnis nähme Schaden, wenn sich die Bundesrepublik einseitig festlegte“, sagte Bütikofer der taz. „Wir können den Israelis nicht sagen, wir sind bei einer UN-Mission dabei, obwohl ihr es nicht wollt. Wir können den Israelis aber genauso wenig sagen, wir sind nicht dabei, obwohl ihr es wollt.“
Die Linksfraktion hat sich bereits festgelegt: UN-Truppe ja – deutsche Beteiligung nein. „Wir sind mit einer historischen Hypothek belastet“, sagte ihr außenpolitischer Sprecher Norman Paech zur taz. „Deutsche Truppen sollten sich aus diesem Konflikt heraushalten. Es gibt andere Staaten, die einen solchen Auftrag wirksam erfüllen können.“