Gute Chancen für junge Künstler

Für die Absolventen der bildenden Kunst ist das traditionelle UdK-Sommerfest ein erster Schritt in die Karriere. Besucher und potenzielle Käufer machen sich auf einem Rundgang ein Bild von den Talenten

VON NINA APIN

Im Hauptgebäude der Universität der Künste (UdK) an der Hardenbergstraße herrscht am Abend des traditionellen Sommerfestes rege Betriebsamkeit. Das Haus hat sich für den Besucherrundgang in eine Galerie verwandelt. Im Foyer zeigen die Meisterschüler ihre Werke, im Quergebäude die Diplomanden. Die frisch gebackenen Künstler und Bildhauer legen Visitenkarten und Kataloge aus und postieren sich neben ihren Werken.

Für die knapp 30 Meisterschüler, die sich nach dem Kunstdiplom ein Jahr unter der Obhut ihres Professors weiter spezialisiert haben, ist die Ausstellung der endgültige Abschied von der Universität. Der Rundgang, zu dem jährlich bis zu 12.000 Besucher kommen, bietet die letzte Gelegenheit, sich ohne Raummiete und Galeriekontakte öffentlich zu präsentieren.

Christian Awe hat sich auf seinen letzten Auftritt gut vorbereitet. Neben seinen großformatigen Acrylgemälden mit Fußballszenen hat er einen Vorrat Visitenkarten zum Mitnehmen an der Wand befestigt. Auf einem Stuhl liegen Kataloge in professioneller Ringbindung bereit. Awe wird sich den ganzen Abend in der Nähe dieses Stuhls aufhalten, um ins Gespräch mit Besuchern zu kommen, Kataloge zu verteilen und E-Mail-Adressen zu notieren. Man merkt dem smarten 28-Jährigen im weißen Hemd nicht an, dass er vor gerade mal zwei Tagen die Prüfung absolviert hat. „Früher konnte ich mir nicht vorstellen, dass man von Kunst überhaupt leben kann“, sagt Awe. Doch das aus Vernunft begonnene Lehramtsstudium ließ er sein, als sein Vertrauen in die eigenen künstlerischen Fähigkeiten wuchs. Nach fünf Jahren Malereistudium bei Georg Baselitz und Daniel Richter ist ihm vor seiner Zukunft als freier Künstler nicht mehr bange: „Für mich wird der Übergang ins Berufsleben leicht. Ich habe längst mein eigenes Atelier und bin auch sonst gut im Geschäft.“ Zwischen 2.000 und 5.000 Euro kosten seine Gemälde, der Verkauf läuft gut, auch ohne feste Galerie. „Die Aussichten für Künstler sind momentan so gut wie nie. Gerade in der Malerei werden Höchstpreise erzielt, und es gibt ein großes gesellschaftliches Interesse an junger Kunst.“

Auch der 26-jährige Feng Lu schätzt seine Chancen auf dem internationalen Kunstmarkt als gut ein. Der gebürtige Chinese zeigt kleine Figuren, die sich in einem Netz aus gespannten knallroten Fäden verheddern. In seiner Malereiklasse war er mit seinen Skulpturen ein Exot. „Ich mache gerne Dinge, die zwischen allem liegen“, sagt Feng, der seit Jahren zwischen Peking und Berlin pendelt. Die rote Seidenschnur, in der sich seine bemalten Menschenfiguren wie in einem Spinnennetz verheddern, stammt vom chinesischen Neujahrsfest. Das Verbinden der Kulturen ist seine Stärke, schätzt Feng Lu, der jetzt schon von der Kunst leben kann. Seine aus Polyester geformten Skulpturen kosten zwischen 1.000 und 12.000 Euro. Das Angebot des Career Center hat Feng Lu höflich zur Kenntnis genommen, aber nie genutzt. „Meine Galeriekontakte und Businesspläne habe ich selbst im Griff.“ Bis Jahresende ist der Künstler ausgebucht.

So weit ist Alicja P. Czupryk noch nicht. Die 25-jährige Bildhauerin wird erst im Februar ihren Abschluss machen. Auf dem Rundgang präsentiert sie ihre Sachen jetzt schon, obwohl sie nicht sicher ist, ob das richtig ist. Schließlich protestieren einige UdK-Studenten mit Ausstellungsboykott gegen die verschlechterte Studiensituation. Doch Czupryk denkt praktisch. „Man muss alle Gelegenheiten nutzen, sich zu zeigen.“ Ihre schwarzen und weißen Monster aus Pappmaschee, Bauschaum, Erde und Haar heben sich durch ihren Witz vom Rest der Exponate ab. „Ich bin ein lustiger Mensch“, sagt sie, „aber auch ein realistischer.“ Darum studiert die gebürtige Polin neben der Bildhauerei noch Kunst und Geschichte auf Lehramt. „Das kommt bei Galeristen zwar nicht so gut an“, sagt sie, „aber ich will eine Absicherung haben, falls es mit der Kunst nicht klappt.“ Viel Zuspruch habe sie bisher für ihre Skulpturen bekommen, sagt sie, aber „noch keine hohen Beträge“. Maler haben es einfacher, glaubt sie, „wer würde sich schon so ein Tier aus Bauschaum ins Wohnzimmer stellen?“ Lehrerin ist für Czupryk der Notfallplan. Momentan bewirbt sie sich bei Galeristen und nimmt an Wettbewerben teil. Und hofft, dass unter den Rundgang-Besuchern, die ihre rosafarbenen Visitenkarten mitnehmen, potenzielle Käufer sind. „Andere haben es auch geschafft“, sagt sie.

So wie der junge Shooting-Star Daniel Richter, der nach kurzer Amtszeit als Professor der UdK den Rücken kehrt. Das immerhin haben Christian Awe, Alicja P. Czupryk und Feng Lu mit dem berühmten Maler gemein.