piwik no script img

Archiv-Artikel

Sarrazin spendiert ein paar Lehrer

Schulsenator Klaus Böger darf zum Schuljahresbeginn 600 neue Lehrer einstellen – 100 mehr, als Finanzsenator Thilo Sarrazin bisher geplant hatte. Lehrer- und Elternverbände kritisieren die späte Entscheidung

Im jährlichen, seit Monaten andauernden Streit zwischen Schulsenator Klaus Böger und Finanzsenator Thilo Sarrazin (beide SPD) um die Neueinstellung von Lehrern ist die Entscheidung gefallen. Statt der bisher geplanten 337 Stellen werden 437 Stellen zum Schulanfang am 21. August neu besetzt. Da einige Stellen Teilzeitstellen sind, werden so insgesamt 600 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt.

Laut Böger ist in den Grundschulen der Bedarf an neuen Lehrern besonders groß. Deshalb würden dort die 100 zusätzlichen Lehrkräfte eingesetzt. Grund für den erhöhten Bedarf sei, dass dort derzeit der jahrgangsübergreifende Unterricht eingeführt werde.

Der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, begrüßte die zusätzlichen Einstellungen. „Allerdings wage ich zu bezweifeln, ob diese Zahl reichen wird, um die Reformen zu begleiten und eine Qualitätsverbesserung zu sichern“, sagte er. Zudem komme diese Entscheidung – wie jeden Sommer – viel zu spät.

Auch Rose-Marie Seggelke, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), kritisierte die späte Entscheidung. Sie stellte das Auswahlverfahren der neuen Lehrer in Frage, da jetzt sowohl die Schulen als auch viele mögliche Kandidaten im Urlaub seien. „Die guten Lehrer und Hochschulabsolventen sind doch schon längst in anderen Bundesländern“, sagte André Schindler, Vorsitzender des Landeselternausschusses. Lehramtsstudenten aus Berlin würde das Gefühl vermittelt, sie hätten in Berlin keine Chance. „Das ist kurzsichtige Politik“, so Schindler.

Die GEW geht zudem davon aus, dass der Mangel an den Grundschulen mit 100 zusätzlichen Stellen auf Dauer nicht abgedeckt werden könne. Letztendlich ersetzten diese Lehrer nur die in den ersten Monaten des neuen Schuljahres pensionierten Pädagogen, sagte Seggelke.

Dem widersprach Bögers Sprecher Kenneth Frisse. Berlin habe immer weniger Schüler. Nach einer aktuellen Studie würde sich im Zeitraum von 2001 bis 2007 der Lehrerbedarf um 2.105 Stellen reduzieren. Berlin habe aber bisher lediglich 965 Stellen eingespart, so Frisse. Deshalb bedeute eine Neubesetzung der Posten, die durch Pensionierungen frei würden, eine zusätzliche pädagogische Betreuung an den Schulen.

Unterdessen sprach sich Schulsenator Böger gegen ein grundsätzliches Handy-Verbot an Schulen aus. Die entsprechende Reglementierung würde den einzelnen Schulen überlassen. Damit äußerte er sich zu der Problematik von Gewalt- und Pornodarstellungen auf Schülerhandys. Auslöser der Debatte ist Bayern: Dort sind Mobiltelefone an Schulen in Zukunft generell verboten. Nadja Dumouchel