Hassobjekt Gesundheitsfonds

Heute und morgen Demonstrationen gegen Gesundheitsreform. Koalition wettert gegen die geplante „Informationskampagne“ der Krankenkassen gegen den „Fonds“

BERLIN taz ■ Allmählich laufen sich die Gegner der Gesundheitsreform warm. Für morgen und übermorgen ruft die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di zu Demonstrationen in fünf deutschen Großstädten auf. Erwartet werden insgesamt 15.000 Teilnehmer. „Wir werden im Moment überrannt und müssen ständig Busse nachordern“, frohlockt Ver.di-Koordinator Jochen Berking. Auch Spitzenvertreter der Krankenkassen reisen an.

Die Proteste richten sich gegen den geplanten Gesundheitsfonds, die staatliche Inkassostelle, die ab 2008 die Beiträge der Versicherten einsammeln und verteilen soll. In Hamburg wird etwa der Chef der Deutschen Angestellten-Krankenkasse, Herbert Rebscher, das Podium erklimmen. In München spricht die Vorsitzende des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen (VdAK), Doris Pfeiffer. Laut Berking stehen die Demos jedoch nicht in Zusammenhang mit der geplanten Informationskampagne der Kassen.

Diese soll Ende August starten und war letzte Woche von den Spitzenverbänden der Krankenkassen angekündigt worden. Regierungsvertreter reagierten prompt und empfindlich: „Ich bitte, eine derartige Agitation gegen die Pläne der Regierung zur Gesundheitsreform unverzüglich einzustellen“, wandte sich der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder (SPD), an die Oberhäupter der sieben Krankenkassen-Spitzenverbände. Er drohte ihnen, sonst aufsichtsrechtlich gegen sie vorzugehen.

Die Angst vor einer möglichen Anti-Gesundheitsfonds-Kampagne erreichte selbst Angela Merkel (CDU). Sie bemerkte am Wochenende spitz, sie fände es nicht in Ordnung, dass die Kassen solch eine Kampagne mit dem Geld der Versicherten finanzierten.

Die Kassen wollen sich indes nicht den Mund verbieten lassen. „Über die Einschüchterungsversuche aus dem Gesundheitsministerium kann ich nur verwundert den Kopf schütteln“, bemerkte Wolfgang Schmeinck, Chef des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen, gegenüber der taz. Indem man zu verhindern versuche, dass Gegenargumente öffentlich genannt werden, überzeuge man niemanden von der Qualität dieser Gesundheitsreform.

Die gesetzlichen Krankenversicherer erklären, sie täten nur ihre Pflicht. Es handle sich lediglich darum, die Versicherten zu informieren, sagte eine Sprecherin des VdAK: „Es gibt auch keinen zusätzlichen Etat, das wird alles aus den normalen Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit bezahlt.“ Flugblätter und Protestaktionen seien nicht im Budget enthalten.

Das Besondere ist aber, dass die Kassen, die sonst in Konkurrenz zueinander operieren, ihre Informationspolitik aufeinander abstimmen – das heißt gemeinsam gegen den Gesundheitsfonds wettern.

Sie müssen damit rechnen, die Macht über die Beiträge der Versicherten zu verlieren und sich mit einem Pauschalbetrag aus dem Fonds zufrieden geben zu müssen. Dieser soll anfangs 100, später 95 Prozent ihrer Ausgaben decken. Die Deckungslücke können sie in Form eines Zusatzbeitrages von ihren Mitgliedern einfordern. Die Einführung dieses individuell zu zahlenden Zusatzbeitrages würde die Verwaltungskosten von derzeit 1,3 Milliarden Euro auf 2,5 Milliarden Euro nahezu verdoppeln, heißt es in einer gestern veröffentlichten Studie der Kassen. Ob der Fonds überhaupt bis 2008 eingeführt werden kann, wird von den Autoren der Studie allerdings ebenfalls bezweifelt.

Am kommenden Dienstag trifft sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) mit Vertretern der Krankenkassen. Auch sie möchte sich über die Informationskampagne informieren. ANNA LEHMANN