: Elbschiffer auf dem Trockenen
Die Wasserstände der Elbe sind weit unter die für die Schifffahrt nötigen Werte gesunken. Aus Sicht der Naturschützer vom BUND zeigt sich darin ein Trend, der den Ausbau des Stromes zum Verkehrsweg unsinnig erscheinen lässt
von Gernot Knödler
Der heiße Sommer macht der Binnenschifffahrt Schwierigkeiten. Zwischen Lauenburg und Dömitz stand das Wasser in der Elbfahrrinne gestern nur noch 1,20 hoch. Um einen ungehinderten Verkehr zu gewährleisten, müssten es 1,60 Meter sein. Aus Sicht von Naturschützern stellen die zunehmend trockenen Sommer den geplanten Ausbau der Elbe beim mecklenburgischen Dömitz in Frage. Unter diesen Umständen nütze auch die tiefste Fahrrinne nichts. „Das Wasser ist das Problem, nicht die Tiefe“, sagt der Elbe-Experte des Umweltverbandes BUND, Ernst-Paul Dörfler. Ob das Sinken der Wasserstände ein langfristiger Trend ist, ist unter Fachleuten jedoch umstritten.
Der BUND möchte die 13 Flusskilometer bei Dömitz möglichst in ihrem heutigen Zustand erhalten und auf jeden Fall einen Ausbau des Stromes verhindern. Die Wirtschaft und zum Teil auch die Politik in den Elb-Anrainerstädten drängt jedoch auf einen Ausbau. Das Verkehrswachstum, ganz besonders in Anbetracht des explodierenden Containerumschlags im Hamburger Hafen, mache es notwendig, die Wasserstraßen stärker zu nutzen, fordert zum Beispiel der Hamburger „Verein zur Förderung des Elbstromgebiets“.
Der BUND hält das für unnötig. „Den Wert der Elbe habe ich erst begriffen, als ich die Flüsse in den alten Bundesländern besuchen durfte“, sagt BUND-Experte Dörfler. Denn trotz der Deiche und Buhnen – senkrecht in den Fluss ragenden Schotter-Zungen – ist die Elbe mit ihren Auwäldern und Sandbänken vergleichsweise naturbelassen. Der Ausbau zur internationalen Wasserstraße als eines der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit würde mit dieser Idylle Schluss machen.
Die Chancen dafür stehen zunächst nicht schlecht. Unter dem Eindruck der großen Elbe-Flut von 2002 hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung den 1992 beschlossenen Ausbau des Stroms auf Eis gelegt. Wie die Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Karin Roth, mitteilt, wird die schwarz-rote Bundesregierung vorerst bei dieser Politik bleiben. „Es gibt keinen Ausbau, solange die heutigen Potenziale nicht genutzt werden“, so Roth.
Nur die beschädigten und zum Teil durchgerissenen Buhnen am Abschnitt Dömitz sollen bis 2010 geflickt werden. Buhnen verstärken die Strömung bei Niedrigwasser, so dass der Fluss von alleine die Fahrrinne freispült. Die ständige Unterhaltungsbaggerei, mit der heute die Fahrrinne an durchschnittlich 345 Tagen im Jahr auf 1,60 Meter gehalten werden soll, würde unnötig.
Bei einem Ausbau der Elbe würden nach Angaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lauenburg die bisher kürzeren Buhnen im Abschnitt Dömitz auf das flußübliche Maß verlängert. Doch statt die Elbe auszubauen, will die Bundesregierung das anschließende Kanalsystem „flott machen“, so Staatssekretärin Roth. Konkrete Pläne gebe es für den Elbe-Lübeck-Kanal. Auch über einen Ausbau des Elbe-Seiten-Kanals und des Mittellandkanals werde nachgedacht. So könnten auch stärker beladene Schiffe zwischen Magdeburg und Lauenburg auf die Kanäle ausweichen.
BUND-Experte Dörfler sagt, er sei mit dieser Ansage der Bundesregierung „zufrieden“. Mit Prognosen möchte er sich allerdings zurückhalten, dafür sei der Druck in Richtung Ausbau zu groß. So habe die Stadt Halle für 30 Millionen Euro einen Hafen gebaut, in den bisher keine Schiffe kämen. An der Saale solle für 80 Millionen Euro ein Kanal für große Binnenschiffe gebaut werden – eine Investition, die sich nur rechtfertigen ließe, wenn auch die Elbe ausgebaut würde. „Das Schicksal der Elbe entscheidet sich an der Saale“, sagt Dörfler.
Dabei ist nach Ansicht des BUND das viele Geld, das jährlich für den Unterhalt der Elbe ausgegeben wird, zum Fenster hinaus geworfen. Das Einzugsgebiet sei zu dünn besidelt, als dass der Fluss eine bedeutende Wasserstraße sein könnte. Auch sei es eine Illusion zu glauben, dass sich immer mehr Verkehr über die Wasserstraßen abwickle.
In der Tat hat das Transportvolumen auf den deutschen Wasserstraßen trotz des enormen Verkehrswachstums insgesamt kaum zugenommen. An den 240 millionen Tonnen, die 2005 auf deutschen Binnenwasserstraßen transportiert wurden, hat die Elbe einen minimalen Anteil. Geesthacht vor den Toren Hamburgs passierten 2005 nur knapp 11 Millionen Tonnen.
Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost mit Sitz in Magdeburg hält die Zahlen des stark wachsenden Containerverkehrs dagegen. Wurden 1999 noch rund 8.600 Standardcontainer auf der Mittel- und Oberelbe transportiert, waren es im vergangenen Jahr rund 23.100.