„Den Silberstreif erkennen“

Jerzy Montag (Grüne) will nicht einseitig, aber solidarisch mit Israel sein. Der Konflikt in Nahost sei mit Völkerrechts-Reden nicht zu lösen. Aber mit Verhandlungsfähigkeit

taz: Herr Montag, auf Ihrer kurzen Israelreise erklärten Sie, wer Israels Vorgehen völkerrechtlich unhaltbar finde, zeichne schwarz-weiß. Ihrerseits finden Sie Israels Vorgehen ganz un-schwarz-weiß in Ordnung?

Jerzy Montag: Nein. Ich finde Israels Vorgehen nicht in allen Einzelheiten in Ordnung – etwa dann nicht, wenn ein UNO-Stützpunkt, ob fahrlässig, ob vorsätzlich, beschossen wird. Oder wenn es bei der Zerstörung der Hisbollah-Infrastruktur zivile Opfer in diesem Ausmaß in Kauf nimmt. Doch ist es ein Unterschied, ob man sich dem Konflikt vorsichtig nähert und sich bemüht, nach beiden Seiten gesprächsfähig zu bleiben – oder ob man Israel zu Völkerrechtsverbrechern erklärt, wie das Heidemarie Wieczorek-Zeul aus dem bequemen Ministerinnenstuhl oder Norman Paech für die Linksfraktion getan haben.

Wie anders als mit den Normen des Völkerrechts sollte man sich denn diesem Konflikt nähern?

Die Völkerrechtsdiskussion alleine eignet sich fürs Oberseminar. Dort können Sie sich einen exzellenten Schein mit einer exzellenten Rechtsableitung holen. Aber welchen Sinn hat das, wenn man als Verhandler zum Frieden beitragen will? Null Komma null. Es beruhigt bloß das eigene Gewissen.

Welchen Sinn hat es, wenn sich die deutschen Diskutanten gegenseitig Einseitigkeit vorwerfen und doch alle wissen, dass schon klügere Köpfe am Nahost-Konflikt gescheitert sind?

Genau darum geht es – wir brauchen keine Schwarz-weiß-Malerei. Jede Kritik ist möglich, selbst eine falsche. Aber über den Inhalt von Argumenten müssen wir uns streiten. Als Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe möchte ich den aschfahlen Eindruck der fehlenden Solidarität nach jeder Seite vermeiden. Ich bin Israel seit vielen Jahren verbunden und denke, Solidarität bedeutet nicht Einseitigkeit. Die Arbeit der deutsch-arabischen Parlamentariergruppe macht aber ein anderer.

Und was denken nun Sie, wie es zu einem Waffenstillstand kommen kann?

Auch der Abgeordnete Montag hat kein Rezept. Aber es ist gut, dass die Bundesregierung jetzt nicht mehr schweigt, sondern Außenminister Frank-Walter Steinmeier seinen Einfluss zu nutzen scheint. Das Ziel kann nur eine robuste Schutztruppe – meiner Ansicht nach besser ohne deutsche Soldaten – und letztlich Frieden zwischen Israel und Libanon sein.

Es waren schon einige Abgeordnete in jüngster Zeit in Israel – teils auch im Libanon. Die meisten kamen voller Pessimismus zurück. Glauben Sie, die Bedingungen für eine friedenssichernde UN-Truppe werden erfüllt?

Ich teile den Pessimismus in weiten Bereichen. Aber die Aufgabe der Außenpolitik ist, den Silberstreif am Horizont zu erkennen. In Haifa sagte man mir: Obwohl die Raketen der Hisbollah jetzt viel genauer träfen als früher, werde die brandgefährliche Petrochemie im Hafen bisher ausgespart. Die israelische Regierung hat noch vor einer Woche über die Vorstellung einer Schutztruppe hohngelacht – jetzt nicht mehr. Das sind zwei gute Zeichen. INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN