: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
ZWEITE BUNDESLIGA Der VfL Osnabrück hat es sich zum Ziel gesetzt, im April den Klassenerhalt zu erreichen
Einsam wird es für den VfL Osnabrück in der zweiten Fußballbundesliga. In seiner Spielklasse ist er der einzige Verein im Nordwesten. Nur die beiden Berliner Konkurrenten Hertha und Union sind geografisch ein bisschen weiter nördlich angesiedelt. Dass die Lila-Weißen aus Niedersachsen aber am Ende der kommenden Saison in der Tabelle ebenfalls ganz oben stehen werden, glaubt niemand ernsthaft. Stattdessen heißt die Vorgabe von Trainer Karsten Baumann: „Wir wollen diesmal den Klassenerhalt so früh wie möglich schaffen, am besten schon im April.“
Osnabrück will den Ruf als Fahrstuhlverein ablegen, den man sich seit dem Jahr 2000 verdient hatte. Schließlich absolvierte der VfL in diesem Frühjahr bereits den vierten Aufstieg in die zweithöchste Liga innerhalb von elf Jahren. Wo also ist das wahre Zuhause des Vereins? Die Verantwortlichen würden natürlich einen dauerhaften Verbleib im Profifußball nur allzu gerne sehen und die Fans, die meistens für ein gut gefülltes Stadion mit beachtlicher Atmosphäre sorgen, ebenfalls. Doch die Osnabrücker Anhänger sind auch bekannt dafür, schnell unzufrieden zu werden, wenn es bei der Mannschaft nicht so richtig läuft.
Ein Punkt, der für den Klassenerhalt des VfL spricht, ist der Trainer. Mit Karsten Baumann ist nach dem mit rüpelhaftem Flair ausgestatteten Claus-Dieter „Pele“ Wollitz, der nun als Trainer von Cottbus auf seinen alten Verein treffen wird, ein ruhiger und souveräner Vertreter seines Standes Chef auf dem Trainingsgelände. Das Ergebnis ist ein Team, das Zusammenhalt und Leidenschaft ausstrahlt. Und so konnte Osnabrück in der vergangenen Saison die Bundesligisten Rostock, Hamburg und Dortmund im DFB-Pokal besiegen und sich damit bundesweit Achtung verschaffen.
Für den Klassenerhalt spricht auch, dass durch wenige Abgänge dieser Zusammenhalt in die Zweite Liga hinübergerettet werden kann. Dazu kommt die vielversprechende Verpflichtung von Sebastian Tyrala, dessen Karriere bei Borussia Dortmund immer wieder durch Verletzungspech zurückgeworfen wurde. Obwohl der Deutsch-Pole als Offensivkraft gekommen ist, sieht Baumann den 22-Jährigen eher als Gestalter: „Tyrala ist zweikampfstark und passsicher, er ist eher der Ballverteiler.“ Zusammen mit Björn Lindemann steht damit ein konkurrenzfähiges Mittelfeld zur Verfügung.
Das zeigte sich allerdings bei der 4:1-Niederlage im Freundschaftsspiel gegen den spanischen Erstligisten Getafe C.F. weder kreativ noch sonderlich sicher. Das Team wirkte übermüdet und wenig motiviert. „Das waren Konzentrationsmängel. Die Mannschaft war von Anfang an nicht mit hundert Prozent bei der Sache“, verzichtet Baumann darauf, die Leistung seiner Spieler gut zu reden. Einen katastrophalen Tag erwischte der gerade von Burghausen nach Osnabrück gewechselte Ersatzkeeper Manuel Riemann, der einige Gegentore selbst verursachte und bei anderen alles andere als glücklich aussah.
Doch Baumann hofft, dass am Freitag (Anstoß: 19 Uhr) beim Pokalspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern seine Mannschaft zu der Leidenschaft der vergangenen Saison zurückkehrt. Aber er warnt auch davor, die letzten Erfolge zu hoch zu hängen. „Die Stimmen im Umfeld, die von einer lösbaren Aufgabe oder einem Selbstläufer sprechen, sind eine Gefahr.“ Und damit steht der VfL auch in dieser Spielzeit vor dem gleichen Problem wie immer: die scheinbar riesige Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit.HEIKO OSTENDORF