: Opal heizt Bürger und Klima an
PROTEST Die geplante Erdgasleitung von der Ostsee nach Tschechien stößt in Südbrandenburg auf Widerstände. Doch das Projekt wird wohl dennoch gebaut
ORTSVORSTEHER WERNER MOLSNER
DRESDEN taz | Nein, aufgeben könne er nicht, sagt Ortsvorsteher Werner Molsner aus der Südbrandenburger Ortschaft Radeland, auch wenn weiterer Widerstand zwecklos erscheine. Mit dem Bau einer riesigen Erdgas-Verdichterstation nahe dem Erholungsgebiet um Groß Köris südlich von Berlin will sich das Dorf nicht abfinden. Sie ist Bestandteil der 470 Kilometer langen „Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung“ Opal, die derzeit wie eine Riesenschlange durch den Osten der Republik wächst. Vier Flugzeugturbinen mit je 95 Megawatt Feuerungswärmeleistung sollen hier den Betriebsdruck der Leitung von 100 bar erneuern.
Die Opal-Trasse verläuft von Lubmin bei Greifswald bis an die tschechische Grenze bei Olbernhau im Erzgebirge. Als reine Transitleitung schließt sie an die Pipeline „Nordstream“ an, die unter Umgehung der Ukraine oder Polens russisches Erdgas durch die Ostsee nach Mitteleuropa liefern soll. Die Wingas, eine Tochter von Wintershall und dem russischen Energieriesen Gazprom, und der Eon-Ruhrgas-Konzern investieren dafür 1 Milliarde Euro.
Fertigstellung 2011
Die Trasse soll die wachsenden europäischen Versorgungslücken schließen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur wird Europa schon im Jahr 2015 zu drei Vierteln auf Importe angewiesen sein. Bei Olbernhau schließt die Opal-Leitung an die Sachsen-Thüringen-Erdgasleitung und das tschechische Transportsystem an. Nach Angaben von Wingas-Sprecher Nicholas Neu ist bereits die Hälfte der Pipeline verlegt. Alle Planfeststellungsverfahren seien abgeschlossen. Mit der Fertigstellung wird Ende 2011 gerechnet.
Methan wird frei
Radeland ist allerdings der einzige Ort, wo sich nennenswerter Widerstand gegen die unauffällig wachsende Trasse regte. Hier hatte sich im Zuge des Raumordnungsverfahrens im Herbst des vorigen Jahres eine Bürgerinitiative gebildet. „Wir dürfen im Landschaftsschutzgebiet nicht mal eine Garage bauen“, empört sich Ortsvorsteher Molsner. „Die Umweltaspekte sind uns aber noch wichtiger“, stellt er klar. Trotz Schallschutzmaßnahmen ist mit einem Dauerpegel von 118 dB bei der vier Hektar großen Anlage zu rechnen. Die 500 Grad heiße Abluft pustet jährlich mindestens 300.000 Tonnen Kohlendioxid in die Luft, bei Umschaltvorgängen wird Methan frei.
„Wir haben Alternativen vorgeschlagen, die Wingas aber zu teuer waren“, berichtet Molsner. Statt mit dem eigenen Gas bei nur 30 Prozent Wirkungsgrad Turbinen zu betreiben, könnten Elektroverdichter eingesetzt werden. Angeblich soll die überschüssige Wärmeenergie von einem benachbarten Holz-Kompetenzzentrum genutzt werden, das aber längst nachwachsende Rohstoffe nutzt. Alle Einwände wurden von den Behörden zurückgewiesen. Molsner sieht seine Bürger als Opfer eines politischen Prestigeprojektes. So wandte sich Staatssekretär Jochen Homann vom Bundeswirtschaftsministerium an seine Ministeriumskollegen in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen und betonte die Dringlichkeit des Vorhabens bei den anstehenden Planfeststellungsverfahren.
Grüner ist dafür
„Wenn in Anspruch genommene Grundstücke wiederhergestellt werden, ist gegen den Bau nichts zu sagen“, meint sogar der sächsische Grünen-Landtagsabgeordnete Michael Weichert. Die Leitung diene schließlich unserer Versorgungssicherheit. Wingas schließt an die Verlegung der 18 Meter langen Rohrteile von 1,40 Meter Durchmesser im Erdboden ein umfangreiches Rekultivierungs- und Renaturierungsprogramm an.
Weichert war an der Schlichtung eines Streits über einen Windpark nahe dem Zielpunkt vor Olbernhau beteiligt. Der Windparkbetreiber sah sich durch die Leitungsquerung zwar nicht aktuell beeinträchtigt, ein künftiges Repowering der Windräder aber gefährdet. Die Verfahren am sächsischen Oberverwaltungsgericht Bautzen sind noch nicht abgeschlossen, lassen aber einen Weiterbau vorläufig zu.
Ganz spurlos wird die Opal-Leitung aber auch jenseits der Verdichterstation nicht bleiben. Aus Sicherheitsgründen müssen die Trasse und ihre Schneisen regelmäßig mit Hubschraubern abgeflogen werden, weiß Michael Weichert. Pipelines gelten als beliebte Objekte für Terroranschläge. MICHAEL BARTSCH