Die Welt aus der Entenperspektive

Eine Paddeltour auf Spree und Dahme. Hektik vor der Schleuse, Entzücken über blühende Wasseriris

Am Ende des ruhigen Kanals sehen wir es: Die steife Brise führt auf dem See zu beeindruckenden Wellen. Schon liegt unser Kanu quer und treibt auf das Schilf zu. Der aus unserer Entenperspektive schier unendlich wirkende See vertreibt uns fast den Mut. Die Teenager, die uns in ihrem leichten Kajak gerade zügig überholt haben, sind sofort abgetrieben. Fern der Hauptroute, von deren Ende aus wir die Vorhut unserer Gruppe eben noch erkennen können, schwimmen die Jugendlichen einsam auf dem grauen Meer. Undenkbar, dass wir sie würden einholen können. Zu steif die Brise, zu lahm unser Kanadier, zu ungeübt wir Neulinge. Doch wir befinden uns inmitten einer Gruppe seit Jahren geübter Kanufahrer, und schon überholen uns Arne und Bernd. Sie sehen die zwei, die den Kampf unterdessen aufgegeben haben, und stechen mit wilder Wut in die Flut. Verblüffend schnell gelingt es ihnen, sie zu erreichen.

Endlich haben wir den wilden See durchquert und kommen in die um einiges stilleren Gefilde der Dahme. Damit sind der Abenteuer aber nicht genug. Es beginnt zu regnen. Doch die Gruppe ist wettererfahren, alle haben ihre Schlafsäcke in wasserdichten Packsäcken, und bald paddeln wir, zu unförmigen Kapuzengestalten vermummt, durch das helle Grün.

Bei Märkisch Buchholz stauen sich über 20 Boote. Alle wollen über die Schleppe, und zwar bald, denn die Schleuse am Ende der Tour, die uns von unserem Campingplatz trennt, ist nur bis 19 Uhr geöffnet. Eine Schleppe, das ist ein kleiner Eisenwagen auf Schienen, auf den man das Boot legt, um es sicher ins Tiefere zu bringen. Als wir fast alle Boote herübergezogen haben, werden wir übermütig. Jan setzt sich in das Boot auf der Schleppe und fordert uns auf loszulassen. Der kleine Wagen gewinnt rasend schnell an Fahrt, und platsch! ist das Boot im Wasser. Aber wo ist nun das Seil, an dem die Schleppe zu ziehen ist? Da heißt es, die Hosenbeine hochkrempeln und ausführlich gründeln gehen.

Wir paddeln durch den Unterspreewald. Bei schönstem Sonnenschein geht es auf dem sich windenden Puhlstrom entlang dicker Eichen, Erlen, Buchen und Pappeln. So vom Boot aus sieht man dem Wald gewissermaßen auf die Füße, zumindest dort, wo schwankende Wasserstände Teile des Wurzelwerks freigelegt haben. In Großwasserburg – mitten im Biosphärenreservat – kümmert sich der Bürgermeister höchstpersönlich um den Campingplatz. Wenn er sich nur halb so viel um sie wie um die WCs auf dem Campingplatz kümmern würde, wäre sie schon zufrieden, hat ihm seine Frau einmal gesagt. Aber ein Campingplatz im Naturreservat ist keine Selbstverständlichkeit. Und so hat Bürgermeister Buckwick ihn in die eigenen Hände genommen. Denn die Touristen kommen wegen der Natur und müssen sich daher mit einem kleinen Platz zufrieden geben.

Nachdem wir die Schleppe überwunden haben, fahren wir durch eine weite Landschaft. Blühende Wasseriris, schwimmender Hahnenfuß, vom Ufer gucken Kühe auf uns herab. Auch uns macht der Regen eigentlich nichts mehr aus. Es wirkt alles nur noch grüner und friedlicher.

Geräuschlos bewegen wir uns vorwärts. Aus einem Nebenarm betrachtet uns ein einsamer Fischreiher unverwandt. Aber dann schrecken wir wieder auf, zwei aus unserer Gruppe überholen uns und treiben uns an! Die Schleuse macht bald zu! Oje, wir geben unser Bestes, aber gewinnen doch nur mühsam an Fahrt. Schon wieder sind uns die geübten Jüngeren davongepaddelt. Da höre ich hinter mir ein Geräusch. Höre ich vielleicht ein Motorboot tuckern? Ach, wenn uns jetzt einer abschleppen würde. Das Motorboot scheint gut besetzt zu sein, ich höre mehrere Stimmen und tatsächlich einen Zuruf: „He, fangt das Seil und hängt euch hinten dran!“ Das kleine Motorboot hat schon vier unserer Boote eingesammelt und sieht aus wie ein Floß aus lauter Paddelbooten.

Nach der Schleuse ist es nur noch eine gute Stunde zur Anlegestelle. Welch leichtes Geschäft, Zelte auf quatschnasser Wiese aufzustellen. Welch beruhigende Aussicht, nach einem Tag Pause nur noch die halbe Strecke paddeln zu müssen.

ELISABETH MEYER-RENSCHHAUSEN