: Europa im Kleinen
Slowenien vereint eine Vielzahl an Landschaften, Ethnien und Baustilen auf kleinem Raum. Von skandinavisch bis mediterran
von RÜDIGER ROSSIG
Slowenien ist klein aber nicht überschaubar. Dafür gibt es zu viele Berge. Der südöstliche Rand der Alpen – die sonnige Seite, wie die Slowenen betonen – und der Nordwestliche des dinarischen Gebirges sind auch dafür verantwortlich, dass die einstige jugoslawische Republik auf einer Fläche von 20.256 Quadratkilometern drei Klimazonen aufweist. Die prägen die mal mitteleuropäische, mal alpine, mal mediterrane Kultur des heutigen EU-Mitgliedsstaates.
Für Menschen, die Slowenien erkunden wollen, bietet die geringe Größe nur Vorteile. Von der West- bis zur Ostgrenze misst das Land ganze 250 Kilometer, von Norden nach Süden sogar nur 120 Kilometer. In der touristischen Praxis heißt das: Mit dem Auto braucht man selten länger als eine Stunde von einem Ort zum anderen. Zudem verfügt Slowenien seit österreichisch-ungarischen Zeiten über ein engmaschiges Eisenbahnnetz. Auch die aus Titos Jugoslawien stammenden Autobuslinien lassen kein Örtchen aus.
Slowenien ist vielseitig, vielgesichtig und vielgeschichtlich. Ein Europa im Kleinen. Der alpine Teil erinnert an Österreich, die Schweiz und – dort, wo die Berge in Richtung Adriaküste abfallen – an Skandinavien. Die Slowenen behaupten, hier sei man schon vor 4.500 Jahren Ski gefahren. Wenn das stimmt, dann stammte der erste Mensch auf Brettern von der sonnigen Seite der Alpen, nicht aus Schweden, wie es im Lexikon steht.
Das am Rande der Alpen beginnende slowenische Tiefland erinnert an Süd- und Südwestdeutschland und auch an (Nord-)Frankreich. Die Städte sind nicht nur in architektonischer Hinsicht westliches Mitteleuropa pur. Auch die lokale Küche und natürlich der Wein, der seit der Römerzeit um diese Orte herum angebaut wird, sorgen für okzidentales Flair.
Die lediglich vierzig Kilometer lange Adriaküste dagegen gehört ganz offensichtlich zu Italien. Aber auch Touristen aus Tschechien, der Slowakei und Ungarn fühlen sich hier wohl, schließlich waren bis 1918 all diese Länder Teil der K.-u.-k.-Monarchie. Ungarn und Italiener sind staatlich anerkannte Minderheiten. In den Regionen, in denen diese leben, wird alles zweisprachig ausgeschildert. Im nördlichen, östlichen und westlichen Slowenien hatten die meisten Orte bis 1945 auch deutsche Namen. Maribor an der Drava etwa hieß die meiste Zeit seiner Geschichte Marburg an der Drau. Dass die Stadt bis 1918 zu Österreich gehörte, sieht man dem Stadtzentrum bis heute deutlich an. Hier und dort würde ein bisschen Farbe den Fassaden nicht schaden, insgesamt aber werden die Slowenen von Maribor ihrem Ruf als die Schwaben Südosteuropas gerecht.
Dass Ljubljana einmal Laibach hieß, weiß man seit den internationalen Erfolgen der gleichnamigen Avantgarde-Band. Dass der deutsche Name vom relativ warmen, „lauen“ Wasser des Flüsschens Ljubica stammt, weiß dagegen kaum jemand. Die Herleitung passt: Sloweniens Hauptstadt ist sowohl klimatisch als auch architektonisch die letzte klar mitteleuropäisch geprägte Metropole in Richtung Süden – und gleichzeitig die erste mediterrane.
Besonders umweltfreundlich ist es nicht, aber die Autobahnfahrt von den Alpen herunter zur slowenischen Küste bietet derartig herrliche Aussichten. Der Übergang vom Bergland zum Mittelmeer vollzieht sich schrittweise. Die Vegetation verändert sich, und wer eine Pause auf einem der immer sauber geputzten slowenischen Parkplätze einlegt, merkt, wie die Luft wärmer wird. Schade, dass auf dieser Strecke das Fahrrad nur für ganz Hartgesottene eine Alternative ist: Der ansonsten bestens ausgebaute vierspurige Highway verfügt über keinen Radweg.
Am Fuß der Alpen breitet sich die Adria aus. An den zu sozialistischen Zeiten errichteten Industrieanlagen von Koper/Capo di Istra und Izola/Isola vorbei führt die „Autocesta“ nach Piran/Pirano. Der schönste Ort am slowenischen Teil des Küste Istriens hat seinen Namens von den alten Griechen, die an diesem Punkt der Adriaküste ein Leuchtfeuer (griechisch Pyr) unterhielten.
Bereits zu Zeiten der römischen Republik versorgten die Salinen der Stadt halb Italien mit Meersalz. Bis heute wird in Piran Salz hergestellt. Die Arbeit in der Salzindustrie, in der Fischerei und im Bootsbau hat seit jeher Arbeitskräfte verschiedenster Abstammung nach Istrien gelockt. Der letzte große Modernisierungsschub der Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahre hat Menschen aus allen Teilen des damaligen Jugoslawiens zu Istrianern gemacht.
Über dem Eingang des „Grand Hotel Palast“ am Ortseingang von Piran hängt noch immer ein großer, fünfzackiger roter Stern. Der Bauzaun steht schon, 2008 soll das Hotel wieder in Betrieb sein. Was mit dem Stern passieren soll, weiß man noch nicht.
Reisen nach Slowenien und anderen Balkanstaaten organisiert Schneewittchen Reisen, Martin-Luther-Str.45, 10779 Berlin, Tel. (0 30) 21 96 92 72, www.schneewittchenreisen.de