Reicher Mann gesucht

In Vietnam hoffen Frauen aus armen Regionen, mit einer Heirat nach China ihre Familien zu unterstützen

BERLIN taz ■ „Lan ist 19 Jahre alt und kann selbstständig einen Haushalt führen“, heißt es in der Anzeige im Internet. Darin lächelt ein hübsches vietnamesisches Mädchen. „Lan ist gut erzogen und wird auch ihrem Sohn eine gute Erzieherin sein.“ Das Mädchen sucht einen Mann, und zwar nicht in ihrem Heimatdorf zwischen Hanoi und chinesischer Grenze, sondern in „Taiwan oder China“. Die Chancen der Vietnamesin sind wegen des Männerüberschusses in China ausgezeichnet. Der Frauenhandel aus Vietnam, Kambodscha und Birma in das Reich der Mitte blüht. Nach vietnamesischem Recht ist die Anzeige im Internet zwar ebenso illegal wie die Organisation, die sie dorthin stellte. Aber wen kümmert das schon?

An ganzen Landstrichen in Zentralvietnam oder im nördlichen Bergland an der Grenze zu China ging der Wirtschaftsaufschwung vorbei. Mädchen können nur auf zwei Arten der Armut entkommen: Entweder sie studieren und bekommen dann einen lukrativen Job. Oder sie heiraten in eine reiche Familie, idealerweise im Ausland. Weil Studieren teuer ist, bleibt eigentlich nur die Heirat. Die hat einen wichtigen Nebeneffekt: Der Bräutigam muss ihren Eltern ein „Brautgeld“ zahlen – als Dank für die Erziehung der Tochter und als Entschädigung, dass deren Arbeitskraft in Haus und Hof künftig fehlt.

Da beschließt mancher Familienrat, die Tochter an eine reiche Familie zu verheiraten, um der Armut zu entkommen. Und die Töchter werden so erzogen, das Glück der Familie als eigenes zu sehen: Man freut sich, der Familie zu helfen und fragt nicht nach der eigenen Zukunft. Ist der Mann reich, akzeptiert man alle Entbehrungen, wenn man den Eltern nur Geld schicken kann.

Die offizielle Politik verhält sich dazu ambivalent. Einerseits werden in Medien und von Politikern gern reiche Auslandsvietnamesen als Helden gefeiert, die im Westen das Geld nur so von der Straße auflesen und es in die alte Heimat bringen. So ein Heldentum erscheint auch Mädchen aus abgelegenen Landstrichen erstrebenswert. Neuerdings warnen dieselben Medien und Politiker aber auch vor der Prostitution. Und die Polizei hebt Vermittlerringe aus, die Mädchen an Bordelle in China verkaufen. Denn dort fehlen nicht nur Ehefrauen, sondern auch Freudenmädchen: In der Stadt Viet Tri, unweit des Dorfes von Lan, wurden vier Mädchen von der Polizei aus einem Verlies befreit. Sie waren entführt worden. Die Jüngste war erst 14 Jahre alt.

Vietnams Frauenunion warnt aber auch vor dem Streben nach einem reichen Ehemann in China: Viele der betroffenen Frauen sind nur die fünf Pflichtjahre zur Schule gegangen. Sie sprechen keine Fremdsprache und sind in China hilf- und oft auch rechtlos. Ihr Aufenthalt dort ist meist illegal. Kein Wunder, dass schon manche Vietnamesin nach der Geburt eines Sohns an ein Bordell verkauft wurde, um sich ihr wieder zu entledigen.

„Wir haben auch Berichte, demnach diese Frauen in China wegen ihres illegalen Aufenthalts im Gefängnis landen,“ sagt Vu Quoc Dung von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Frankfurt am Main. „Oder sie konnten fliehen. Und nach Vietnam wurde mancher die Wiedereinreise verweigert, weil sie nicht nachweisen konnte, dass sie vietnamesische Staatsbürgerin ist.“

In diesem Jahr wurde der Frauenhandel auf internationalen Druck hin ein offizielles Thema in Vietnam. Das Innenministerium veranstaltete dazu Mitte Juli eine Konferenz, wenn auch hinter verschlossenen Türen. Über die Ergebnisse erfährt die Öffentlichkeit nichts. Vu Quoc Dung kritisiert, dass internationale Nichtregierungsorganisationen nicht zugelassen wurden.

Der Frauenhandel aus Vietnam erreicht zwar mit Chinas Männerüberschuss eine neue Dimension, ist aber nicht neu. Seit Jahren werden Vietnamesinnen unter fadenscheinigen Versprechen nach Südkorea, Taiwan oder Macao gelockt. Dung: „Vietnam behandelt diese Frauen nicht als Opfer, sondern als Täterinnen. Kehrt eine Zwangsprostituierte nach Vietnam zurück, landet sie im Umerziehungslager.“ MARINA MAI