: Süddeutsche Politökologie
DER SCHWABENAUFSTAND Nur aktive Minderheiten sind heute wirklich produktiv. Wie diese drei Oberschwaben, die unterm „Freiheitsbaum“ neben ihrer (sturmfreien) „Bude“ Wein trinken
1. Oberschwabe: Man spricht von einem „Schwabenaufstand“. Vielleicht sollten wir unsere „Republikanische Bude“ von 1971 wiederbeleben?
2. Oberschwabe: Aber nicht wieder hin zur Staatspolitischen Ökonomie des Ostblocks, sondern in Richtung Politische Ökologie diesmal …
3. Oberschwabe: Wovon sprecht ihr? Hier in Biberach tut sich nichts, sieht man von den Finanzanalysen des Hilfsarbeiters im Vermessungsamt ab …
1. Oberschwabe: Ich rede vom Widerstand – gegen „Stuttgart 21“, den Bahnhofsumbau. Die „Montagsdemonstrationen“ dagegen werden immer heftiger. In Leipzig hat man damit zuletzt das Kapital anlocken wollen. Ähnliches wollten dann die Ostarbeitslosen mit ihren Montagsdemos: Investitionen für neue Arbeitsplätze. In Stuttgart will man nun aber das Kapital fernhalten. Es soll sich nicht an der gewohnten Umwelt der Bürger vergreifen, es soll sich verpissen.
2. Oberschwabe: Es gibt auch Widerstand gegen einen Investor, der im Schwarzwald am Schluchsee das „größte Pumpspeicher-Kraftwerk Deutschlands“ bauen will. Die BI zählt bereits 500 Mitglieder, dazu kommen der Schwarzwaldverein und die Naturschützer: „Hier leben zig Arten, die auf der Roten Liste stehen.“
1. Oberschwabe: Und dann die Bayern – in Garmisch-Partenkirchen, wo man gegen die dort geplanten Olympischen Winterspiele 2018 ist. Die Bauern der Weidegenossenschaft weigern sich, ihr Land dafür herzugeben. „Wir sind in der Vergangenheit schon zu gierig gewesen,“ sagen sie, die dafür heute nicht mehr arm sind. Aber jetzt reicht es. Die Umwelt ist ihnen nun wichtiger als ihre weitere Verwertung und damit Vernichtung – durch Überbauung. Aus Oberammergau, wo zwei Skistrecken hinsollten, haben sich die Olympiaplaner um den Skirennfahrer und Modemacher Willy Bogner bereits zurückgezogen. Nachdem er die Widerständler als „die paar Bauern mit ihren hoch subventionierten Wiesen“ abgetan hatte, bereiteten die Oberammergauer ein Bürgerbegehren gegen Olympia vor – und das reichte schon, um ihre „Romanshöhe“ aus der Verplanung zu bekommen.
3. Oberschwabe: Solche lokalen Geschichten sind nicht neu, was für einen Honig kann man diesmal daraus lutschen?
2. Oberschwabe: Dass das Kapital und seine Projektemacher hier bald bloß noch Projekte im Nanobereich durchkriegen – und auch das nur mit Bürgerbeteiligung. Es geht nicht mehr um „Modernisierung“, sondern um „Ökologisierung“! Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist auch die soziale Modernisierung der Gesellschaft obsolet. Wir leben nun, so wird gesagt, in nachgesellschaftlichen Projektwelten.
1. Oberschwabe: Dazu „mobilisiert“ man auch keine Mehrheiten als Stimmvieh mehr, sondern aktiviert Minderheiten – nur sie sind produktiv. Es gilt: ein „Kleinwerden schaffen“.
3. Oberschwabe: Der Weinbauernbub und Soziologe Bruno Latour meint, wir müssen noch einmal vor die Moderne zurück. Aber das mache nichts, weil wir sowieso nie richtig modern gewesen seien.
2. Oberschwabe: Und zu welchem Behufe zurück?
3. Oberschwabe: Um die Trennung von Kultur und Natur, Subjekt und Objekt rückgängig zu machen, die uns daran hindert, auch die nichtmenschlichen Wesen an unseren Verhandlungen und runden Tischen teilnehmen zu lassen …
1. Oberschwabe: In Stuttgart tun sie das bereits mit dem Bahnhof, im Schwarzwald mit dem Schluchsee und in Oberammergau mit ihrem hohen Berg. Jetzt müssen sie nur noch ihre Politische Ökologie auf die Höhe ihrer eigenen Praxis bringen …
■ Das fiktive „Buden“-Gespräch belauschte Helmut Höge