: Hauptschule macht arm
Zu wenig Lehrer, kein Geld, kaum Perspektiven: Kurz vor dem Inkrafttreten des neuen Schulgesetzes sorgen sich Gewerkschafter um die Hauptschulen – und fordern mehr Gehalt für deren Pauker
VON KLAUS JANSEN
Nordrhein-Westfalens Lehrergewerkschaften wollen den Arbeitsplatz Hauptschule durch ein Schmerzensgeld attraktiver machen. Mit einer Gehaltserhöhung sollen mehr qualifizierte Lehrer für den Unterricht an den Problemschulen gewonnen werden. „Es gibt einen massiven Lehrermangel. Deshalb muss man diesen Job finanziell attraktiver machen“, sagt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Andreas Meyer-Lauber.
Die Gehaltsdebatte fällt kurz vor dem morgigen Inkrafttreten des neuen NRW-Schulgesetzes mit einer Diskussion um die Perspektive der NRW-Hauptschulen zusammen. Diese drohten durch das neue Gesetz noch weiter von den anderen Schulformen „abgekoppelt“ zu werden, kritisiert Udo Beckmann, der Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Vor allem die Einführung einer zweiten Fremdsprache für Sechsklässler an Gymnasien lasse die Schere zwischen den Schülern weiter auseinander gehen.
Als „Skandal“ bezeichnet GEW-Chef Meyer-Lauber die Lehrerausstattung der Hauptschulen. Rund die Hälfte des Unterrichts werde von Kollegen erteilt, die ihr Fach nicht studiert haben. Zudem ließe sich kaum ein Pädagoge auf den nervenaufreibenden Job ein: „Die Aufstiegschancen sind gleich Null. Statt qualifizierter Lehrer werden zu einem Großteil nur noch Quereinsteiger eingestellt.“ Darum müsse eine Gehaltserhöhung her.
Finanziell sind Hauptschullehrer in der Tat vergleichsweise schlechter gestellt. Berufsanfänger starten eine Gehaltsgruppe unter ihren Kollegen an Gymnasien – mit A12 (2.259 Euro) statt A13 (2.880 Euro). Und weil sie bis zur Pensionierung meist nicht hochgestuft werden, im Gegensatz zu den Gymnasiallehrern, bekommen sie am Ende rund 900 Euro weniger.
Unterstützung bekommen die Lehrergewerkschafter aus der Wissenschaft. „Die Forderungen sind uneingeschränkt nachvollziehbar“, sagt Ernst Rösner vom Dortmunder Institut für Schulentwicklungsforschung. Allerdings werde auch eine Erhöhung der Gehälter nicht dazu führen, dass mehr Eltern ihre Kinder auf Hauptschulen schicken. „Es geht darum, in der bestehenden Situation eines dreigliedrigen Schulsystems das beste herauszuholen“, sagt er.
Das NRW-Schulministerium, das sich eine Stärkung der Hauptschulen in Konkurrenz zur Einheitsschule auf die Fahnen geschrieben hat, schließt eine Veränderung der Lehrerbezahlung zumindest nicht aus. Nach Angaben eines Sprechers ist aktuell zwar keine Erhöhung geplant, doch immerhin prüft NRW in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Bremen und Brandenburg „verschiedene Besoldungsmodelle“ für die Zukunft.
Die Landtagsopposition reagiert verhalten auf die Ideen der Lehrergewerkschaften: Einerseits will man sich den Vorschlägen nicht gänzlich verschließen, anderseits wird eine Betonierung des dreigliedrigen Schulsystems befürchtet. „Ich glaube nicht, dass man die Probleme des Lehrermangels durch eine höhere Besoldung lösen kann“, findet die frühere Schulministerin Ute Schäfer (SPD). Auch die grüne Fraktionschefin Sylvia Löhrmann ist skeptisch: „Was wir brauchen, ist eine einheitliche Schulform – dann gibt es auch eine einheitliche Besoldung.“