Müdigkeit als letztes Ziel

Weil sich das deutsche Basketball-Nationalteam mit NBA-Profi Dirk Nowitzki in der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Japan noch nicht in Bestform präsentiert, ist Ademola Okulaja gefordert

HAMBURG taz ■ Vor Energie strotzte Ademola Okulaja nicht gerade, als er durch die Gänge der Hamburger Arena zur Pressekonferenz schlurfte. So gesehen hätte der 31 Jahre alte Flügelspieler der Basketball-Nationalmannschaft glücklich sein müssen. Der „Warrior“ („Krieger“), wie Okulaja von seinen Mitspielern für seine aggressive Spielweise gerufen wird, liebt es, nach einem Spiel völlig ausgelaugt zu sein. „Ich will immer alles geben, immer hundert Prozent. Es gibt für mich nichts Schlechteres, als nach einem Spiel in die Umkleidekabine zu kommen und noch ein bisschen Energie zu haben“, sagt der Sohn eines Nigerianers und einer Deutschen.

Nicht NBA-Profi Dirk Nowitzki war im Länderspiel gegen Kanada der beste deutsche Spieler. Okulaja war es. 21 Punkte gelangen ihm am Freitagabend. Auch in der Defensive überragte er. Dumm nur, dass sich der Gesamteindruck des Teams nicht mit seinem Auftritt deckte. Vor 10.925 Zuschauern in der nicht ausverkauften Arena setzte es für das deutsche Team, immerhin Silbermedaillengewinner bei der EM 2005, eine 68:73-Niederlage gegen die international nur zweitklassigen Nordamerikaner. Drei Wochen vor Beginn der WM in Japan, wo in der Vorrunde als Gegner Japan, Neuseeland, Spanien, Panama und Angola warten, stellte die DBB-Auswahl unter Beweis, dass die Form noch nicht stimmt. Okulaja konnte also nicht restlos glücklich sein.

Dabei sorgt bei ihm allein die Tatsache, dass er überhaupt wieder zum Nationalteam gehört, für eine gewisse Zufriedenheit. Knapp zwei Jahre lang hatte er sich in die Rolle des Zuschauers fügen müssen. Nach der Knieoperation im November 2004 in Valencia kam Okulaja nur mühsam auf die Beine. Der Mangel an Spielpraxis machte ihm zu schaffen. Bundestrainer Dirk Bauermann nominierte ihn im vergangenen Jahr nicht für die EM in Serbien. Den sensationellen Gewinn der Silbermedaille erlebte er nicht im Jubelkreis der Mannschaft, sondern vorm Fernsehgerät. Jetzt ist er zurück – in tragender Funktion.

Wenn es bei Dirk Nowitzki wie gegen Kanada nicht wie gewünscht läuft, ist Okulaja gefordert. Er soll mit aggressiven, überraschenden Aktionen und einer selbstbewussten Ausstrahlung einspringen, die Mannschaft mitreißen. Nowitzki ist der Leader auf dem Spielfeld, keine Frage, in seinem mächtigen Schatten zu glänzen, ist nicht einfach. Aber Okulaja ist der Kronprinz, oder – wie es die Übersetzung seines Namens aussagt – der „gebende König“. „Dirk ist uns vom Talent her überlegen. Aber kurz dahinter kommt die ganze Mannschaft. Zusammen mit Dirk und Patrick Femerling bin ich der Kapitän“, sagt Okulaja selbstbewusst.

Nowitzkis dürftige Leistung mit gerade einmal acht Punkten wollte Okulaja nicht überbewerten. „Dirk ist auch nur ein Mensch. Er kann nicht in jeder Partie überragend spielen. Meine Beine sind nach dem Trainingslager auf Mallorca auch noch schwer. Die Fehler, die wir heute gemacht haben, werden wir in zwei Wochen bei der WM nicht mehr begehen“, versichert Okulaja.

Die WM dürfte für ihn die letzte Möglichkeit sein, sich durch herausragende Leistungen doch noch den großen Traum von einem Engagement in der nordamerikanischen Profiliga NBA zu erfüllen. Drei Versuche hat er bislang unternommen. Er scheiterte jedes Mal. Okulaja ist ohnehin ein Rastloser in Sachen Basketball. Ihn hält es nie lange an einem Ort.

Nach mehreren Vereinen in Spanien, den USA, Italien und Deutschland ist er mittlerweile beim russischen Spitzenklub BC Chimki Moskau angekommen. Seit dem 5. Februar dieses Jahres spielt er dort. Er ist der erste Nationalspieler Deutschlands, der in Russland sein Geld verdient. Seinen Arbeitgeber hat er längst von seinen Qualitäten überzeugt. Vor kurzem verlängerte der Verein den Vertrag mit ihm um ein weiteres Jahr.

Es besteht auch nicht die Gefahr, dass er in Japan zu sehr für die Galerie und die Verwirklichung der eigenen Träume spielen könnte. Okulaja ist auf dem Spielfeld ein Arbeiter. Er stellt sich, ähnlich wie ein zentraler defensiver Mittelfeldspieler im Fußball, ganz in den Dienst der Mannschaft. „Ich kann punkten, passen, rebounden und verteidigen. Was immer das Team auch braucht, ich versuche es zu bringen.“ CHRISTIAN GÖRTZEN