dritter sektor : Geldnot und Engagement
Der dritte Sektor, auch Non-Profit-Sektor genannt, umfasst ein weites Feld. Eckhard Priller vom Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) schreibt ihm alle Organisationen zu, die „formell strukturiert, organisatorisch unabhängig vom Staat und nicht gewinnorientiert sind sowie eigenständig verwaltet werden“. Dies können Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen oder Frauenorganisationen sein, aber auch Freizeit- und Sportvereine. Die Mitglieder treten diesen Organisationen freiwillig bei, „zumindest ein Teil ihrer Ressourcen resultiert aus ehrenamtlicher Tätigkeit und privaten Spenden“, so der Soziologe Priller.
Der Senat misst dem dritten Sektor in Berlin eine große Bedeutung bei. Er funktioniere als Bindeglied zwischen Bürgern, Staat und Markt, sagt Susanne Ahlers, Staatssekretärin in der Arbeitsverwaltung. Die Regierung fördert die Gründung von Genossenschaften durch günstige Kredite bei der Investitionsbank Berlin.
Im dritten Sektor verstecken sich auch eine ganze Menge normaler, bezahlter Jobs – zum Beispiel bei der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt oder dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. Aufgrund von Hochrechnungen schätzt der Soziologe Priller die Zahl der Vollzeitjobs auf 2,3 Millionen bundesweit. In Einrichtungen, die zum Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin gehören, arbeiten 45.000 Menschen, sagt Verbandsgeschäftsführer Oswald Menninger. Im Jahr 2000 waren es 40.000. „Der Zuwachs erklärt sich aber durch die Einführung von Teilzeitarbeit.“ Auch flüchteten sich viele Einrichtungen in Zeiten öffentlicher Kürzungen unter das Verbandsdach.
Weil die öffentlichen Kassen leer sind, glauben Experten nicht an ein Jobwunder im dritten Sektor. „Beschäftigungsintensive Organisationen, nämlich die Mitgliedereinrichtungen der Wohlfahrtsverbände, sind eng in die sozialstaatliche Daseinsfürsorge eingebunden – und von Finanznöten der öffentlichen Hand stark betroffen“, so der Soziologe Priller. Ferner sei etwa bei Krankenhäusern eine „GmbH-isierung, also ein Wechsel in den Markt“ festzustellen.
Immer mehr BerlinerInnen engagieren sich in ihrer Freizeit. Die Studie „Freiwilligensurvey 2004 Berlin“, für die 1.355 Personen befragt wurden, kam zu erfreulichen Ergebnissen. Engagierten sich 1999 nur 24 Prozent der EinwohnerInnen freiwillig, waren es 2004 schon 29 Prozent. „Wir sind hier auf einem guten Weg“, sagte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) bei der Vorstellung. „Im Vergleich der großstädtischen Regionen kann der Westteil Berlins sogar eine höhere Quote im Engagement als Stuttgart aufweisen.“
Neben der Suche nach Sinn und neuen Herausforderungen spielt bei jungen Freiwilligen auch ein anderes Motiv eine Rolle: das gezielte Basteln am eigenen Lebenslauf. „Die Menschen suchen gezielt nach Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten zu entfalten und zu verbessern“, beobachtet Martin Pannen von der Freiwilligen-Agentur Friedrichshain-Kreuzberg.
Zum dritten Sektor gehören auch Stiftungen. Ihre Zahl ist in Berlin im Vergleich mit dem Bundesschnitt gering – sie lag im Jahr 2004 bei 14,7 Stiftungen pro 100.000 Einwohnern (Bund: 15,7). In Hamburg kommen auf ebenso viele Hansestädter 53,2 Stiftungen. „Berlin ist von jeher eine proletarische Stadt. Es fehlt der finanzielle Hintergrund eines starken Bürgertums“, so Priller. US