Bloß keine direkte Kritik an Israel

Die Bundesregierung verspricht „Telefondiplomatie“ und hält sich öffentlich zurück

BERLIN taz ■ In leisen Tönen liegt die deutsche Kraft zur Vermittlung im Nahostkonflikt. Diesen Eindruck jedenfalls versucht die Bundesregierung zu erwecken. Unter Vermeidung jeglicher Festlegung ließ Kanzlerin Angela Merkel gestern wissen, sie bemühe sich mittels „intensiver Telefondiplomatie“ um eine politische Lösung des Konflikts zwischen Israel und seinen Feinden. Dazu gehört für sie vor allem: öffentliche Zurückhaltung.

Was auch immer im Kriegsgebiet passiert: Deutschland verzichtet – im Gegensatz zu Frankreich und anderen EU-Staaten – auf direkte Kritik an Israel und kommentiert die Entwicklung stets so optimistisch wie nur irgend möglich. Dabei nimmt Merkel in Kauf, dass sie von den Ereignissen bisweilen überholt zu werden scheint.

So wertete Regierungssprecher Ulrich Wilhelm die vorübergehende Einstellung der israelischen Luftangriffe auf den Libanon gestern Vormittag als „positives Zeichen“, das Hoffnung auf einen baldigen Frieden mache. Nur wenige Minuten später wurde bekannt, dass Israel erneut Luftangriffe flog und erklärte, man werde den Militäreinsatz gar „ausweiten und verstärken“.

Mit scharfen Protesten aus Berlin muss Tel Aviv kaum rechnen. Die Bundesregierung sieht bisher keinen Grund, eine sofortige, bedingungslose Waffenruhe einzufordern und wiederholt nur ihren allgemeinen Appell, zivile Opfer möglichst zu vermeiden. Wenn es konkret wird, wird sie vage. Auch den israelischen Bombenangriff auf Kana, bei dem 37 Kinder starben, wollte Merkels Sprecher nicht direkt verurteilen. Auf Nachfrage verwies er auf die Untersuchung des Vorfalls durch Israels Armee: „Ich denke, dass das Ergebnis abgewartet werden sollte.“

Für die Forderung von Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul (SPD) und anderen nach sofortigem Waffenstillstand hatte Außenamtsstaatssekretär Gernot Erler (SPD) nur einen ironischen Kommentar übrig: „Meine Erfahrung ist, dass die Weltpolitik sich nicht ausschließlich nach der Meinung der Linken in der SPD richtet.“ Erler muss es wissen – er war jahrelang Sprecher der SPD-Linken im Bundestag. LUKAS WALLRAFF