Die blasse Außenministerin

Es ist die härteste Probe, der Condoleezza Rice in ihrer bisherigen Amtszeit als US-Außenministerin ausgesetzt ist. Eine Woche lang ist sie jetzt durch die Welt gereist, hat versucht, irgendeine Lösung der Libanon-Krise auszuhandeln. Doch ihr einziger Erfolg, die von Israel angekündigte – und zumindest teilweise schon wieder gebrochene – 48-stündige Einstellung der Bombardements, war keine Reaktion auf die diplomatische Kunst der 51-Jährigen, sondern auf den verheerenden Bombenangriff Israels auf Kana, bei dem mehr als 60 Menschen ums Leben kamen. Mit dem Optimismus, den Rice gestern bei der Vorstellung ihres neuen Vorschlags zu verbreiten suchte, als sie sagte, eine Lösung im Sicherheitsrat könne noch in dieser Woche gefunden werden, geht sie ein großes politisches Risiko ein – und das ist vielleicht das Beste, was bisher über sie gesagt werden kann.

Als Rice zu Beginn des vergangenen Jahres als Nachfolgerin von Colin Powell ihr Amt antrat, da war die Hoffnung groß, mit einer engen Vertrauten George W. Bushs im Außenministerium könnte der Einfluss der Politik gegenüber dem des Militärs in den USA wieder steigen. Doch im bis zum Beginn des Libanon-Krieges wichtigsten außenpolitischen Thema der USA, dem Irak, suchte man vergeblich nach der Handschrift der obersten US-Diplomatin. Weiterhin waren es vor allem Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Präsident Bush selbst, die in der US-Irak-Politik den Takt vorgaben.

Rice ist es bislang nicht gelungen, aus Bushs Schatten herauszutreten und erkennbar eigene Akzente zu setzen. Die Libanon-Krise bietet für Rice die Chance, endlich auch politisch an Farbe zu gewinnen. Der Druck ist riesig, auch von innen – denn mit dem Ausgang dieses Konfliktes entscheidet sich auch die Zukunft der US-Politik im Nahen Osten, die Rice stets mitgetragen hat.

Keine der Qualitäten Rice’, über die so gern geschrieben wurde – von der ehrgeizigen Gehorsamkeit gegenüber Bush, ihren russischen Sprachkenntnisse oder ihren Fähigkeiten als Pianistin und Eiskunstläuferin –, hilft ihr jetzt weiter. Will sie Erfolg haben, muss sie mit eigener Überzeugungskraft Partner wie Gegner zur Lösung schubsen, und das womöglich gegen widerstrebende Kräfte in der eigenen Regierung.

Denn eine Lösung finden heißt auch, die politische Existenz von Hisbollah anzuerkennen und Realpolitik zu betreiben – etwas, was im politischen Konzept der USA nach dem 11. September 2001 nicht mehr vorkommt. Dass Rice dazu die politische Kraft oder auch nur den Willen haben könnte, ist zumindest aus ihrer bisherigen Amtsführung nicht abzulesen.

BERND PICKERT