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Archiv-Artikel

SCHLACHTENSEE II Die Arbeitsdeppen

Hoffentlich muss ich nicht stehen

In der vollen S-Bahn müssen wir stehen. Trotz Ferienzeit und Nebenverkehrszeit. Das nervt mich total. Was wollen die Leute überhaupt um neun Uhr früh? Zur Arbeit fahren? Da will man einmal wochentags in Ruhe raus zum Schlachtensee und dann quetschen sich Horden von stumpfen Arbeitsdeppen in den Wagen. Da ist doch die Erholung von vorneherein futsch!

Apropos neun Uhr: Ich versteh zwar nicht viel von dieser Arbeitengeherei, aber muss man da nicht normalerweise früher hin, so um sieben oder spätestens acht? Stattdessen machen sich die Faulpelze extra um neun auf den Weg, nur um mit ihren fetten Arbeitsärschen auf den Bänken rumzulümmeln und dazu ihre typischen blöden langen Arbeitsgesichter zu ziehen, während die armen Freiberufler, die zum Baden fahren, stehen müssen.

Der unglaubliche Zynismus dieser aberwitzigen Konstellation macht mich wütend und traurig. Denn für mich, im Gegensatz zu ihnen, ist neun Uhr eine äußerst frühe Tageszeit. Doch wer morgens am Badesee die besten Plätze haben möchte, muss leider früh hin, auch wenn das Überwindung, Stress und Schmerzen bedeutet. Ich bin also zum Umfallen müde und bräuchte unbedingt einen Sitzplatz. Ginge es in der Welt auch nur einen Hauch gerecht zu, so müsste mir einer dieser bettflüchtigen Arbeitsesel auf der Stelle seinen Sitz überlassen. Aber nein. Böse brüten sie vor sich hin, bis die Bahn die gleichgeschaltete Rotte geklonter Arbeitsorks ausspeit, damit sie grunzend ihre verschiedenen Arbeitskoben ansteuern, von denen nur der Teufel weiß, was sie dort machen und vor allem wozu. Erst am Bahnhof Zoo gelingt es mir, längst mehr tot als lebendig, einen Platz zu ergattern. Wimmernd und sämtlicher Illusionen beraubt blicke ich aus dem Fenster. Hoffentlich muss ich nachher am See nicht stehen.

ULI HANNEMANN