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Archiv-Artikel

Lobhudeln und kriechen

KOMMENTAR Altbundeskanzler Gerhard Schröder arbeitet sich an den deutschen Medien ab. Deren Berichterstattung über Sotschi sei eine Katastrophe. Das dürfte Russlands Präsident Putin gut gefallen

Die Einlassungen von Gerhard Schröder am Samstag im Deutschen Haus in Krasnaja Poljana dürften Russlands Präsidenten Wladimir Putin heruntergegangen sein wie Wodka. Die Berichterstattung deutscher Medien über Olympia in Sotschi sei eine Katastrophe, ließ der Altbundeskanzler wissen. Da tobten sich Leute aus, ohne irgendeine Beziehung zu dem zu haben, was in Sotschi passiere und ohne Rücksicht auf die Emotionen der SportlerInnen zu nehmen.

Na bitte, endlich mal klare Worte von einem, der weiß, wo Hammer und Sichel hängen, und der eine ganz besondere Beziehung zu Russland hat. Ein wahrer Kenner eben. Dass sich ausgerechnet Schröder zu derartigen anbiederischen Lobhudeleien versteigt, die auch anderen führenden SPD-Kadern nicht fremd sind, überrascht nicht. Bereits zu seiner aktiven Zeit als Kanzler scherte sich Schröder einen Dreck um die massiven Menschenrechtsverletzungen in der gelenkten Demokratie des Wladimir Putin. Ein bisschen Krieg in Tschetschenien – was soll’s. Hatz auf Oppositionelle, kritische Journalisten, Minderheiten jedweder Couleur, ja überhaupt auf alles, was von der Norm des Kreml abweicht – geschenkt. Ein bisschen Schwund ist immer. Anstatt klare Worte an Putin zu richten, hofierte Schröder lieber den lupenreinen Demokraten und kroch dahin, wo es warm und gemütlich ist.

Das tut Schröder, der ein kommodes und gut dotiertes Pöstchen bei der Gazprom-Tochter Nord Stream AG bekleidet, bis heute. Warum auch nicht? Zwar nehmen die Repression gegen Andersdenkende stetig zu, die Diskriminierung Homosexueller ist mittlerweile in Gesetzesform gegossen und endet bisweilen tödlich. Im Zuge der Vorbereitung von Olympia wurden Menschen vertrieben und Raubbau an der Natur getrieben. Aber das soll doch die Freude an den Spielen nicht schmälern? Deshalb täten die Medien besser daran zu schweigen. Unerträglich!

BARBARA OERTEL