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Archiv-Artikel

Im freien Fall

Drei Jahrzehnte beherrschte die Firma Huss die Karussellszene wie kaum ein anderer. Jetzt musste sie Insolvenz anmelden – obwohl Millionen-Aufträge vorliegen. Insider vermuten Missmanagement

von Jan Zier

Alles sieht nach einem blendenden Geschäft aus: Die Firma Huss ist in ihrer Branche seit langem der Marktführer, hat nach eigenen Angaben noch Aufträge in zweistelliger Millionenhöhe und arbeitet auf einem Markt, der zumindest in Asien boomt. Trotzdem ist der Bremer Hersteller von Fahrgeschäften für Jahrmärkte und Freizeitparks pleite – wegen „ausgelaufener Kreditverträge“ und „ausbleibender Geldeingänge“, wie es offiziell heißt. Insider sprechen von Missmanagement. Die Geschäftsleitung wollte sich gestern gegenüber der Presse nicht äußern.

„Die finanziellen Altlasten machen uns kaputt“, sagt Thomas Müller, Betriebsrat der Huss Maschinenfabrik. Branchenkenner hat der am Dienstag eingereichte Insolvenzantrag indes wenig überrascht. Die Firma „kränkelte“ bereits seit dem vergangenen September, sagt auch Jürgen Kandulla von der IG Metall. Zudem seien die Fertigungskapazitäten in Ungarn, wo Huss seit über zehn Jahren produzieren lässt, „nur unregelmäßig ausgelastet“.

Huss – einst ein Hersteller von Schiffsausrüstungen – baut seit 1969 Fahrgeschäfte. Klassiker wie der „Break Dancer“ wurden in Bremen ebenso entwickelt wie der 60 Meter hohe „Space Shot“, dem im Space Park eine eigens nachgebaute Ariane-Rakete zur Seite gestellt wurde. „Das ist gute Werbung für uns“, hieß es damals bei Huss. Über 750 Anlagen hat die Firma in alle Welt verkauft, allein der „Break Dancer“ wurde seit 1985 rund 100 Mal ausgeliefert – Stückpreis damals: rund drei Millionen Mark.

„Die müssen viele Millionen verdient haben“, sagt ein Branchenkenner, der nicht genannt werden will. „Ich weiß nicht, was die mit dem Geld gemacht haben“. Zwar sei die Zahlungsmoral unter den Schaustellern „nicht die beste“, dennoch spreche einiges dafür, „dass da schlechte Geschäftsleute am Werk waren“. Davon betroffen sind weltweit rund 280 MitarbeiterInnen, knapp 50 unter ihnen in Bremen-Hastedt.

Huss gilt als der „Mercedes“ unter den Herstellern von Fahrgeschäften – und ist damit auch etwas teurer als die Konkurrenz aus dem Ausland. Gleichwohl hat man in Bremen den Trend weg von den Jahrmärkten und hin zu den Freizeitparks wohl etwas verschlafen. Seine Geschäfte habe Huss all die Jahre überwiegend mit den Schaustellern gemacht, sagt Betriebsrat Müller – doch genau dieser Markt, berichten Experten übereinstimmend, sei vor zehn Jahren eingebrochen. Zu zahlreich seien mittlerweile die Alternativen, seine Freizeit zu verbringen. Auf den Jahrmärkten boome nur noch die Gastronomie. In den Freizeitparks wiederum ist demnach zwar noch gutes Geld zu verdienen. Auch haben die meisten Parks in Deutschland einen „Huss“ im Programm. Dennoch, sagen Insider, hätten es die Bremer versäumt, hier „attraktive und innovative Modelle“ anzubieten, die über das hinausgingen, was auf den Freimärkten der Republik – in kleinerer Form – schon zu sehen sei. Hinzu komme ein weiteres Problem: Die Konkurrenz aus Italien und den Niederlanden baue ihre Fahrgeschäfte für die Jahrmärkte „wesentlich kompakter“. Wo ein „Huss“ fünf Transporter benötigt, reichen anderswo schon zwei. Ein zugkräftiges Kaufargument, nicht erst in Zeiten hoher Benzinpreise.

Wie es in Bremen weiter geht, ist bislang noch unklar. Zwar gab es in der Vergangenheit bereits ein Übernahmeangebot der Krupp Stahlbau aus Hannover, berichtet Kandulla. Auch wurde ein entsprechender Sanierungstarifvertrag ausgehandelt. Fast die Hälfte der Stellen hätten abgebaut, Gehälter um zehn Prozent gekürzt werden sollen. Doch aus dem Geschäft wurde nichts. „Wir“, sagt Müller, „haben unsere Hausaufgaben gemacht.“