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Archiv-Artikel

„Holland ist für uns das große Vorbild“

Martin Müncheberg will die bundeseinheitliche Regelung für den Cannabis-Besitz, er beklagt darum das geringe Interesse an Hanfparaden

taz: Herr Müncheberg, warum braucht Berlin noch eine Hanfparade?

Martin Müncheberg: In Bayern hätten sie die Demonstration sicher nötiger. Berlin ist vergleichsweise liberal, Besitz und Anbau für den Eigenbedarf werden nicht verfolgt. Aber unser Ziel ist und bleibt eine bundeseinheitliche Regelung für die „geringfügige Menge“, wie sie das Bundesverfassungsgericht 1994 forderte.

Davon ist bis heute nichts zu merken: In Berlin kann man bis zu 15 Gramm in der Tasche haben, in südlicheren Bundesländern aber schon für den Besitz von 2 Gramm richtig Ärger kriegen. Weil es diese Ungerechtigkeit gibt, gibt es auch noch die Hanfparade.

War das Anliegen der Hanfparade nicht immer die völlige Legalisierung von Cannabis?

Das ist unsere Maximalforderung. Aber niemand ist so weltfremd zu glauben, dass die Legalisierung in absehbarer Zeit kommt. Eine Entkriminalisierung von Kiffern wäre ein erster Schritt, oder die Einführung eines „Kifferführerscheins“ mit individuellen Grenzwerten, wie beim Alkohol.

Im Vergleich zum rebellischen „Der Kampf geht weiter“ von 1998 klingt der aktuelle Slogan „Legalisierung jetzt. Umdenken statt Milliarden verschenken“ sehr zahm. Gehen Ihnen die Inhalte bei dem Thema aus?

Die Zeiten ändern sich: 1998 befanden wir uns auf dem Höhepunkt einer Sympathiewelle. Es hatte sich herumgesprochen, dass Cannabis kein gefährliches Teufelszeug ist. Headshops, Hanfmagazine und Kifferfilme hatten Hochkonjunktur. Zur Parade kamen 50.000 Menschen aus der ganzen Republik. Vier Jahre später forderte der Politiker Christian Ströbele auf unserer Demo „Gebt das Hanf frei!“, noch im selben Jahr saß ich bei Stefan Raab auf der Couch.

der mit seinem Hanfsong kräftig Cannabiswerbung machte …

Ja, das haben wir auch als wichtige „Lobbyarbeit“ betrachtet. Doch in den letzten Jahren hat das Interesse sehr abgenommen. 2005 kamen weniger Leute zur Parade als im ersten Jahr. Der Verein steht vor der Pleite. Wir fragen uns ernsthaft, ob wir überhaupt noch eine Basis haben. Um das herauszufinden und den Verein zu retten, suchen wir jetzt auf Ebay „Cannabis-Paten“. Wer 10 Euro bezahlt, rettet nicht nur ein Hanfleben, sondern wird per T-Shirt und Urkunde als „Retter der Hanfparade“ ausgewiesen. Mal sehen, ob das was bringt.

Woran liegt das mangelnde Interesse. Wird weniger gekifft als vor zehn Jahren?

Im Gegenteil! Kiffen ist inzwischen in allen Bevölkerungsschichten verbreitet und gilt als gesellschaftlich akzeptiert. Ohne spürbare Repression fehlt vielen jedoch der Antrieb für politische Aktivität. Das ist in Berlin besonders deutlich zu spüren.

Mangelnde Motivationsfähigkeit ist ja typisch für Kiffer. Ist von den einstigen Gründern der Hanfparade noch jemand übrig?

Nein, ich selbst bin zwar acht Jahre dabei geblieben, gehöre aber seit 2004 nicht mehr zum Vorstand. Vereinsarbeit ist ja auch nicht jedermanns Sache, daher bin ich froh, dass es noch Aktivisten gibt, die die Veranstaltung am Leben erhalten. Mit Sorge sehe ich dagegen die Finanznot des Vereins und die Tatsache, dass immer mehr Minderjährige an der Hanfparade teilnehmen - die sollten sich besser noch ein paar Jahre Zeit lassen mit dem Kiffen.

Cannabis war doch schon immer eine Pubertätsdroge. Warum haben ausgerechnet Sie ein Problem mit minderjährigen Konsumenten?

Ich gehöre nicht zu der Fraktion, die Haschisch für alle fordert. Eine Freigabe von Haschisch befürworte ich erst ab 18 Jahren. Cannabis ist eine psychoaktive Substanz, mit der eine gefestigte Persönlichkeit problemlos umgehen kann.

Also: „Legalize it – a little?“

Dass junge Leute kiffen, lässt sich nicht verhindern. Aber momentan gibt es an jeder Ecke Haschisch für 5 bis 6 Euro das Gramm, der Schwarzmarkt fragt nicht nach dem Ausweis.

Coffeeshops, in denen man ab 18 Jahren ganz offiziell Cannabis kaufen und rauchen darf, wären ein Fortschritt für den Jugendschutz. Da sollte uns Holland immer noch ein Vorbild sein.

INTERVIEW: NINA APIN