: Schaden über den Daumen gepeilt
RECHTSSTREIT Der ehemalige Direktor der a Lasco-Bibliothek kann auf Rehabilitierung hoffen
Kein Urteil gab’s gestern im Zivilverfahren vor dem Landgericht Aurich. Folglich ist auch der ehemalige Direktor der Emder Johannes a Lasco-Bibliothek noch nicht rehabilitiert. Mit zunehmender Verfahrensdauer zeichnet sich aber immer deutlicher ab, dass Walter Schulz 2008 von den Wortführern der evangelisch-reformierten Kirche fälschlich der Untreue bezichtigt und rechtswidrig in die Wüste geschickt wurde.
Schulz hatte die alte Emder Pfarrbücherei 1995 als a Lasco-Bibliothek neu gegründet und binnen zehn Jahren ihren Bestand verfünffacht. Sie avancierte so zu einer weltweit bedeutenden Einrichtung für die Calvinismus-Forschung – und Schulz zu einem gefragten Experten. Bis ihn im August 2008 der Kirchenpräsident Jann Schmidt und dessen Justitiar Johann Weusmann verjagten und die Bibliothek schlossen. Das Kapital der Stiftung war abgeschmolzen – weil sie unterfinanziert war, so Schulz’ Deutung. Durch Untreue, behauptete die hohe Geistlichkeit.
Allerdings glauben der nicht alle Juristen – und allzu hastig war ihr Vorgehen offenbar auch: So hatte gestern der Vorsitzende der fünften Auricher Zivilkammer auf Formfehler hingewiesen, die wohl zur Unwirksamkeit der Kündigung führen würden, dann aber das Verfahren ausgesetzt: Sein Urteil will er erst nach dem des obersten Kirchengerichts in Detmold verkünden.
Vorgelegt hat indessen der Bundesgerichtshof sein Urteil in der Strafsache Schulz: „Bizarr“ hatte die taz im Oktober 2009 das vom ostfriesischen Landrichter Henning Schröder geführte Verfahren genannt. Das war untertrieben: Der damalige Schuldspruch beruht laut BGH im Wesentlichen auf „Auffassungen“ und „pauschal geäußerten Rechtsmeinungen“, für die es „an jeglicher Tatsachengrundlage“ fehlt. Besonders wunderten sich die Bundesrichter, dass Schröders Urteil nicht erkennen ließ, wo ein Schaden eingetreten sei, geschweige denn wie der auf 59.794 Euro hatte beziffert werden können. Doch dafür gibt es eine Erklärung: Schröder hatte sie über den Daumen gepeilt.
Im Mai wurde die Bibliothek wieder eröffnet: Mit viel Geld der EKD, zu der die Reformierten sonst ein durchaus distanziertes Verhältnis pflegen. BES
Az: 3 StR 90/10