: Im Kampf gegen Golfer und Eierdiebe
Der „Wattenrat“ will die Umweltverstöße im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer nicht hinnehmen und erstattet Anzeige: gegen die Betreiber eines illegalen Golfplatzes und unbekannte Eierdiebe. Der Verwaltung wirft er Versagen vor
von Friederike Gräff
„Klare Verhältnisse schaffen“ sollen die beiden Strafanzeigen, die der ostfriesische „Wattenrat“ im Juni und in der vorigen Woche bei der Staatsanwaltschaft Aurich gestellt hat: eine gegen die Betreiber eines illegalen Golfclubs auf Langeoog und eine gegen jene Unbekannten, die Vogelnester geplündert haben. Der Wattenrat, das ist ein lockerer Verbund ehrenamtlicher Naturschützer, die finden, dass der Naturschutz im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer nicht ernst genug genommen wird: nicht von den Inselbewohnern, die mutmaßlich die Vogeleier stehlen, nicht von den Betreibern des Golfclubs, nicht vom Landkreis Wittmund, der nicht auf die Protestbriefe des Wattenrats reagierte. Und, nicht zu vergessen, nicht von der Verwaltung des Nationalparks. Denn die lässt es, Manfred Knake vom Wattenrat zufolge, an „Nachdruck“ mangeln.
„Straftaten gegen die Natur würden offensichtlich nur als Kavaliersdelikte angesehen“, so heißt es in der Pressemitteilung, die der Wattenrat seinen Anzeigen folgen ließ. Und die Betreiber des Golfclubs zeigten sich „uneinsichtig“. In der Tat betreibt der „Golfclub Insel Langeoog“ seit mehreren Jahren ein Spiel und Übungsgelände auf einer Fläche, die seit 2001 zum Nationalpark gehört und Teil des bei der EU gemeldeten Vogelschutzgebietes ist. Die Golfer störten die dort lebenden Sumpfohreulen und stutzten botanisch wertvolle Flächen zu ihren Zwecken zurecht, klagt Manfred Knake. Dass nach einem Bußgeld über 1.500 Euro einfach weiter gespielt werde, zeige nur die „Dreistigkeit dieser Leute“.
Wenig überraschend erscheint dem Golfclubvorsitzende Anselm Prester die Anzeige „unverhältnismäßig“. „Es ist mir bewusst, dass die Nutzung nicht rechtens war“, sagt er. „Aber wir ahnten nicht, dass wir für die ehemalige Pferdewiese eine Baugenehmigung brauchten“. Und nicht nur Landrat Schulz, selbst Umweltminister Sander persönlich hätten vor Ort betont, dass „nicht zu verstehen sei, warum man hier nicht Golf spielen solle“. Die Insel, so sagt Prester, müsse „mit der Zeit gehen“. Die nach Golf für die Touristen verlange.
Und was sagen die Behörden jetzt? Sicher sei der jetzige Betrieb „definitiv nicht zulässig“, sagt Wilhelm Frerichs, erster Kreisrat im Landkreis Wittmund. Doch sobald die Baugenehmigung für den geplanten neuen Golfplatz erteilt werde, sei „das Ziel erreicht“. Und dass man sich in den vergangenen Jahren nicht gekümmert habe, stimme so nicht. Aber, so sagt Frerichs, und kommt damit zum Kern der Auseinandersetzung, man könne „nicht einfach draufdreschen. Dann geht die Gemeinde kaputt“. Kaputt, das bedeutet abgeschlagen im Wettstreit um touristische Attraktionen.
„Niemand will den Tourismus abschaffen“, sagt Manfred Knake zu solchen Argumenten. Aber man müsse dem knallharten Massentourismus nicht alle Zugeständnisse machen. Schließlich lebe der von der Naturschönheit, die er zugleich fahrlässig aufs Spiel setze.
Aber die Touristen sind nur ein Teil des Problems. Der zweite sind die Einheimischen. „Wegen der Gelegeplünderungen in Möwenkolonien auf einigen ostfriesischen Inseln“, so heißt es in der zweiten Anzeige des Wattenrats. Es ist eine Anzeige gegen „unbekannt“, aber man geht davon aus, dass es Einheimische sind, die schon seit Jahrzehnten Möweneier sammeln.
Der Wattenrat prangert an, dass die Nationalparkverwaltung in dieser Angelegenheit tatenlos zugesehen und lediglich „hilflose Appelle“ veröffentlicht habe. Das nimmt er einerseits als Bestätigung für einen „konfliktvermeidenden Schmusekurs mit Naturfrevlern“, andererseits als Beleg für die Unterbesetzung vor Ort. Zwar seien die Informationszentren und Naturhäuser „wunderbar“ bestellt, doch draußen herrsche „Naturschutzanarchie“, so Knake. Statt der vier Ranger brauche man mindestens 30, die ähnliche Befugnisse haben müssten wie ihre Kollegen in den Niederlanden: Die sind nämlich berechtigt, Personalien aufzunehmen, Platzverweise auszusprechen und auch Bußgelder zu verhängen. Wie man das finanzieren könne? Ganz einfach, sagt Knake. Bei drei Millionen registrierten Übernachtungen sollte es möglich sein, pro Urlauber 50 Cent für die Betreuungsaufgaben zu erheben.
Doch diese Pläne sind für die Nationalparkverwaltung keine gangbare Alternative: Angesichts des gegenwärtigen Personalabbaus in der niedersächsischen Verwaltung sieht Justiziar Theodor Schröder „relativ wenig Aussicht auf Erfolg“ bei einer Forderung nach mehr Mitarbeitern. Und weitergehende Befugnisse? „Man will es nicht, weil man nicht meint, dass man unbedingt immer nur mit Verboten zum Ziel kommt.“ Vor allem, wenn es gelte, die einheimische Bevölkerung, die dem Nationalpark lange skeptisch gegenüberstand, zu überzeugen. Zudem gebe es „keine Beweise“, wer die Eier gestohlen habe. Deshalb ging die Nationalparkverwaltung einen „etwas pädagogischen Weg“, wie Schröder es nennt, und informierte über die Presse, dass der Eierdiebstahl nicht rechtens sei.