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Archiv-Artikel

„Konsum ist bessere Geldquelle“

Drogerie-Unternehmer Götz Werner fordert, auf Einkommen- und Unternehmensteuer zu verzichten. Dafür soll die Mehrwertsteuer auf 40 Prozent steigen – und jeder ein Grundeinkommen erhalten

INTERVIEW HANNES KOCH

taz: Die Bundesregierung hat beschlossen, die Gewinnsteuer für Unternehmen um rund 10 Prozent zu senken. Ist es notwendig, die Unternehmen zu entlasten, obwohl ihre Gewinne steigen?

Götz Werner: Vielen Firmen geht es gut. Auch wir können nicht klagen. Und doch sollte man darüber nachdenken, die Steuern auf Unternehmensgewinne und private Einkommen langfristig noch weiter zu reduzieren.

Wie bitte – wie soll der Staat dann Schulen, Kindergärten und Straßen finanzieren?

Ich will den Staat nicht abschaffen – ganz im Gegenteil. Der Firmengründer Henry Ford hat mal gesagt, dass der Wohlstand einer Nation in den Klassenzimmern beginne. Für die Schulen brauchen wir eher mehr Geld als weniger. Aber es wäre besser, es mit neuen Methoden zu beschaffen.

Wie soll das funktionieren, wenn die Wirtschaft aus der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben entlassen wird?

Ich plädiere für einen grundsätzlichen Wandel. Mit Steuern und Sozialbeiträgen werden heute vornehmlich menschliche Arbeit und Einkommen belastet. Besser wäre es aber, ausschließlich den Konsum als Quelle für die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben zu nutzen.

Sie wollen Steuern auf Einkommen und Gewinn sowie die Sozialbeiträge abschaffen?

Idealtypisch ja – und sie nach und nach durch die Mehrwertsteuer ersetzen, die alle Leute beim Kauf in den Geschäften zahlen. Das hätte einen entscheidenden Vorteil. Arbeit würde entlastet und billiger. Jobs könnten entstehen. Auf der anderen Seite gelänge es uns, die Leistung der Maschinen, die in den Produkten drinsteckt, angemessen zu besteuern. Heute funktioniert das nicht.

Würde dann mehr oder weniger Geld zur Verfügung stehen, etwa um Schulen zu bezahlen?

Eher mehr. Mit Hilfe einer höheren Mehrwertsteuer könnte die Regierung beispielsweise Importe von ausländischen Gütern nach Deutschland stärker belasten. Deutsche Exporte würden im Verhältnis billiger. Weil sie im Ausland verkauft werden, blieben sie von der hohen deutschen Mehrwertsteuer verschont.

Sie sind bekannt als sozial engagierter Unternehmer. Nun wollen Sie auf die Gewinn- und Einkommensteuer verzichten, die Reiche stärker belasten als die Normalbürger. Wo bleibt die Idee des sozialen Ausgleichs?

Ganz einfach. Aus den Einnahmen der Mehrwertsteuer kann man langfristig ein Grundeinkommen von 1.500 Euro für alle finanzieren. Jeder Bundesbürger bekäme eine Überweisung vom Finanzamt. Die Entwürdigung durch Hartz IV wäre vorbei.

Haben Sie durchrechnen lassen, wie hoch Ihre neue Mehrwertsteuer sein müsste?

Genaue Berechnungen existieren noch nicht. Im Vergleich zu den heutigen 16 Prozent würde ich die künftige Höhe auf 35 bis 40 Prozent schätzen. Aber Sie müssen bedenken: Andere Steuern und Sozialabgaben gäbe es dann nicht mehr.

Wegen der höheren Mehrwertsteuer würde aber die Kaufkraft Ihres Grundeinkommens um etwa 20 Prozent sinken. Wollen Sie, dass die kleinen Leute die Umstellung des Systems bezahlen?

Ich gehe davon aus, dass das finanzielle Niveau dann immer noch höher wäre, als es heute ist.

Ihre Ideen klingen so realistisch wie der Plan, eine Siedlung auf dem Mond zu errichten. Haben Sie Fachleute zu Ihrem Steuerkonzept befragt?

Allerdings. Schon 1989 haben wir einen Konsumsteuer-Kongress organisiert. Aber ich räume ein: An den deutschen Lehrstühlen für Steuerrecht hat sich die Idee aber noch nicht durchgesetzt.