: Bayern steckt im Mittelmaß fest
FRAUEN-BUNDESLIGA Für Spitzenklasse ist der Kader bei Bayern München zu dünn besetzt. Beim 0:3 Heimdebüt gegen Potsdam muss gar eine Fußballrentnerin reaktiviert werden
BAYERN-TRAINER THOMAS WÖRLE
AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER
Manchmal genügen ja wirklich ein paar Trainersätze, um so ein Fußballspiel bündig zu erklären. „Wir sind schlecht ins Spiel gekommen, haben dann aber noch ein paar herrliche Tore geschossen“, sprach der Sieger-Coach Bernd Schröder, „mehr kann man zurzeit nicht erwarten.“ Verlierer-Trainer wie Thomas Wörle klingen so: „Wir waren ein Stück weit mutlos. Aber Potsdam spielt einfach in einer anderen Liga.“ Wörle meinte das im übertragenen Sinn, denn in der Frauenfußball-Bundesliga spielen sie schon im selben Wettbewerb. An Spieltag zwei lautete das Ergebnis vor 785 Zuschauern: Potsdam drei, München null.
Vorab hatte Potsdam-Coach Schröder noch den Vorsichtigen gegeben: „In den letzten Jahren haben wir in München immer schlecht ausgesehen. Bayern hat auch in diesem Jahr wieder eine sehr ausgeglichene Mannschaft. Wir fühlen uns jedenfalls nicht als Favorit.“ Brav gesprochen, Gäste-Trainer! Klar, seit fünf Jahren hatte Potsdam nicht mehr in München gewonnen, in der vergangenen Saison hatte es bei Bayerns Damen ein recht wildes 3:3 gegeben, doch am Ende dieser Saison war Turbine Potsdam Champions-League-Sieger und deutscher Meister. Und der FC Bayern? Vierter.
Sieben Spielerinnen aus dem frisch gekürten U-20-Weltmeister-Team standen im Sportpark Aschheim auf dem Spielberichtsbogen: sechs aus Potsdam, eine aus München. Während Turbine über einen durchgängig hochklassig besetzten Kader verfügt, wird es bei Bayern nach der ersten Elf schon dünn. Bestes Beispiel: die Torfrau. Bei Potsdam sitzt die U-20-Weltmeisterin Desiree Schumann auf der Bank, Nummer zwei hinter der Champions-League-Finale-Elfmeterkillerin Anna-Felicitas Sarholz – so was nennt man ein Luxusproblem. Als sich bei Bayern die etatmäßige Nummer eins Kathrin Längert an der Schulter verletzte, kam der neue Coach Thomas Wörle mit seinem Torwart-Trainer Peter Kargus, Sohn des einstigen HSV-Keepers, auf die Idee, Kathrin Lehmann zu reaktivieren. Die hatte ihre Karriere beendet, ein Comeback mehrfach abgelehnt und sich dann doch breitschlagen lassen. Ein Armutszeugnis – und exemplarisch für die Fußballerinnen des FC Bayern München. Wieder einmal hatte man vor der Saison einen herben Aderlass zu verkraften. Die Nationalspielerinnen Melanie Behringer (zum 1. FFC Frankfurt) und Bianca Rech (SC 07 Bad Neuenahr) nahmen besser dotierte Angebote an. Auch Leistungsträgerin Mandy Islacker (zurück zum FCR 2001 Duisburg) verließ den Verein, zwei weitere Stammkräfte beendeten ihre Karriere. Dazu kamen außer zwei Nachwuchskickerinnen nur Weltmeisterin Petra Wimbersky, die nach acht Jahren von Frankfurt an die Säbener Straße zurückkehrte. Es dürfte keine einfache Saison werden für den Neuen an der Seitenlinie. Der 28-jährige Thomas Wörle übernahm den Trainerposten von Vater Günther (60); die ältere Schwester Tanja ist auch dabei, im Mittelfeld. Dort war Wörle junior als Aktiver auch zu Hause, in der 2. Liga bei Offenbach und Fürth. Doch wegen eines nicht ausgeheilten Pfeifferschen Drüsenfiebers musste er seine Karriere vorzeitig beenden. Zu seinem ersten Trainerjob sagte er: „Ich muss erst mal sehen, wie die Frauen ticken. In der Vorbereitung war jedenfalls alles Friede, Freude, Eierkuchen.“ Bei seiner Heimpremiere ausgerechnet gegen Marktführer Potsdam klang das schon anders. Verbrachte Wörle die erste Halbzeit angesichts des wunderbaren 16-Meter-Kopfballtreffers der Potsdamerin Viola Odebrecht zum 0:1 (18. Minute) noch weitgehend sprachlos, so drehte er in Durchgang zwei auf, zumindest verbal. Das war auch nötig gegen die übermächtigen Potsdamerinnen. Nach 55 Minuten traf Nadine Keßler per Linksschuss von der Strafraumgrenze, Anja Mittag erhöhte zwölf Minuten später auf 3:0. Bei den Münchnern hatte Julia Simic in der 15. Minute den Führungstreffer verpasst und Nicole Banecki nach einer Stunde nur den Pfosten getroffen. Ansonsten ging Torgefahr nur von Linksfuß Wimbersky, die mit zwei Distanzschüssen knapp scheiterte und hinterher recht kleinlaut meinte: „Gegen Potsdam kann man schon mal verlieren.“ „Wir werden uns am Ende wohl im Mittelfeld wiederfinden“, meinte Bayern-Coach Wörle nach seinem Einstand, „wir sind in einem Prozess, und der wird noch Wochen und Monate andauern. Um ganz nach oben zu kommen, bedarf es jedoch sicher ganz anderer wirtschaftlicher Bemühungen.“ Torfrau Kathrin Lehmann wird sich das alles aus der Distanz anschauen. Kurz nach der Partie sagte die Intermezzo-Keeperin, die derzeit als U-17-Trainerin in Gilching arbeitet: „Seit fünf Minuten bin ich wieder Fußballrentnerin. Und jetzt fahr ich gleich wieder in den Urlaub – an den Chiemsee.“