ABSPRITZENDE FRAUEN
: Guerilla-Marketing

Weibliche Ejakulation gehört ins grelle Laternenlicht

Ich war letztens auf einer Lesung. Obwohl, „letztens“ ist jetzt arg übertrieben, eigentlich war die Lesung schon vor ein paar Monaten, im November oder so. Und eigentlich war’s auch keine Lesung, sondern eine Buchvorstellung. Aber was auf jeden Fall stimmt: Ich war da und fand’s toll. Und weil ich’s toll fand, kann ich ja auch gleich mal sagen, was für ein Buch das war: „Frauenkörper neu gesehen“, Untertitel: „Ein illustriertes Handbuch“. Und weil’s ein illustriertes Handbuch war, gab’s am Ende ein paar Aufkleber, auf denen Sachen aus dem Buch illustriert waren, zum Beispiel die weibliche Ejakulation. Von der hört man ja sonst nicht viel und liest auch kaum was und denkt dann womöglich, es gibt sie gar nicht oder so. „Tolle Sache, diese Aufkleber“, dachte ich also und griff mir ein paar.

Auf dem Heimweg klebte ich die Hälfte von ihnen. Es waren nämlich so Aufkleber zum Wild-in-die-Gegend-Kleben, zum Beispiel an Laternenpfähle. Ich jedenfalls hatte das so verstanden. Und ich fand, es sah auch sehr schick aus, diese im hohen Bogen abspritzenden Frauen, durch die Laternen ins richtige Licht gesetzt. Nur war mein Heimweg eher kurz, und ich klebte nicht alle spritzenden Frauen, die ich hatte, sondern nur die Hälfte davon. Die andere Hälfte steckte ich in meine Tasche – und seitdem wartet die da darauf, auch noch geklebt zu werden.

Heute hat’s ihnen gereicht, den Aufklebern in meinem Rucksack, einem zumindest. Er hat sich ganz spontan um meinen Schlüssel gewickelt, den ich immer zu ihnen stecke. Und nicht nur gewickelt – so richtig rangepappt hat er sich. Also stehe ich jetzt da, vor meiner Haustür, und fummele die Papier-Ejakulation Stück für Stück ab vom Metall. Als der Schlüssel dann wieder ins Schloss passt, gehe ich aber doch nicht rein, sondern mache wieder kehrt. Ich hab kapiert: Die weibliche Ejakulation gehört ins Licht der Laternen statt ins Dunkel meiner Tasche. JOEY JUSCHKA