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Archiv-Artikel

Mehr als 150 Waldbrände in Spanien

Flammen ohne Ende: 6.500 Feuerwehrleute bekommen die Brände in Galicien nicht unter Kontrolle. Anwohner und Touristen werden evakuiert. Brandstifter sollen die Feuer gelegt haben: Die abgebrannten Grundstücke sind für Bauspekulanten attraktiv

AUS MADRID REINER WANDLER

In Galicien spielen sich Szenen der Verzweiflung ab: Menschen rennen mit Tüchern vor Nase und Mund durch dichte Rauchschwaden. Mit Gartenschläuchen und Eimern, Schaufeln und Hacken versuchen sie die Feuersbrunst einzudämmen. Nicht immer mit Erfolg.

Die 153 Waldbrände, die Spaniens Nordwesten dieser Tage heimsuchen, verschlingen Häuser, Ställe und Schuppen. Drei Menschen starben in den Flammen, die durch ständigen Wind und hochsommerliche Temperaturen noch angeheizt werden. Anwohner wurden evakuiert und Touristen nach Hause geschickt.

Die galicische Regionalregierung spricht von „Umweltterrorismus“. Die meisten Brände sollen vorsätzlich gelegt worden sein, häufig in unmittelbarer Nähe von bewohnten Gebieten. Alles deutet darauf hin, dass Spekulanten die Grundstücke haben wollen – als billiges Bauland. Die 200 Sonderermittler, die nach Galicien geschickt wurden, haben bereits sechs Verdächtige festgenommen.

Seit vergangenem Freitag haben die Brände explosionsartig zugenommen. Über 15.000 Hektar sind bereits abgebrannt. Die Hilfskräfte haben zwei Drittel der Brände noch immer nicht unter Kontrolle.

6.500 Mann befinden sich im Einsatz, unter ihnen Einheiten der spanischen Armee. Italien, Frankreich und selbst Portugal, wo dieser Tage ebenfalls starke Waldbrände wüten, haben Hilfskräfte und Löschflugzeuge geschickt. Spaniens Regierung hat bei der EU-Kommission weitere Hilfe beantragt.

Aus den Reihen der konservativen Opposition wird harsche Kritik an den Regierungen in Madrid und in Galicien laut. „Die Verwaltung funktioniert nicht“, beschwert sich der Vorsitzende der konservativen Volkspartei (PP), Mariano Rajoy.

Seit einigen Monaten regiert die sozialistisch-nationalistische Koalition. Sie habe die meisten Führungskräfte bei den Sondereinheiten zur Waldbrandbekämpfung ausgetauscht, sagt Rajoy – und dabei mehr auf Kenntnisse der galicischen Sprache als auf fachliche Qualitfikation geachtet.

Spaniens Zentralregierung ist bislang kaum aktiv geworden. Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero unterbrach erst am letztem Mittwoch seinen Urlaub auf den Kanarischen Inseln – und machte eine Stippvisite. Er versprach, alles zu tun, um die Brände so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen. Trotzdem wurde er von den Betroffenen mit Buh-Rufen empfangen. Die Regionalpresse wirft Madrid vor, vier Tage gebraucht zu haben, bis zusätzliche Löscheinheiten nach Galicien verlegt wurden. Auch Umweltministerin Cristina Narbona reiste vor zwei Tagen erstmals in den Nordwesten Spaniens.

Ihre zögerliche Politik dürfte die Brandkatastrophe mit begünstigt haben: Seit nunmehr drei Sommern kündigt sie ein Gesetz an, nach dem abgebrannte Gebiete 30 Jahre lang nicht der Bauwirtschaft zugeführt werden dürfen. Allein sobald der Sommer vorbei war, landete das Projekt wieder in der Behördenschublade. Ob sich nun etwas ändert, ist unklar.

„Jetzt oder nie“ scheint jedenfalls das Motto von so manchem Spekulanten zu sein – um noch schnell ein Schnäppchen mit billigem Bauland zu machen.