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Archiv-Artikel

Schuldenerlass zweiter Klasse

Das Bundesjustizministerium will für all jene ein „Entschuldungsverfahren“ einführen, die die Kosten des Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht zahlen können. Entwurf für neues Insolvenzrecht für September angekündigt

BERLIN taz ■ Für private Schuldner könnte es ab nächstem Jahr teuer werden, Insolvenz anzumelden. Das Bundesjustizministerium (BMJ) erarbeitet derzeit eine neue Insolvenzordnung. „Wir wollen ein effizienteres Verfahren schaffen“, sagte Henning Plöger, Sprecher des BMJ, der taz.

Die Verbraucherinsolvenz bietet einen sicheren Weg aus der privaten Schuldenfalle. Das Problem derzeit: 80 Prozent derjenigen, die Insolvenz anmelden wollen, können die Verfahrenskosten nicht zahlen. Ein Verbraucherinsolvenzverfahren dauert derzeit sechs Jahre. Für Gerichtsgebühren und das Honorar eines Treuhänders fallen dabei im Schnitt 1.500 Euro an. Bisher können sich Mittellose diese Kosten stunden lassen. Der Staat springt ein – mit rund 68 Millionen Euro im Jahr.

Das Geld will sich die schwarz-rote Regierung nun sparen. Ein „Entschuldungsverfahren“ soll das Verbraucherinsolvenzverfahren für Personen ablösen, die die Verfahrenskosten nicht selbst zahlen können. Konkret soll es keinen Treuhänder mehr geben, der heute pfändbares Schuldnereinkommen an Gläubiger verteilt. Plöger: „Wo nichts zu verteilen ist, braucht man auch keinen Treuhänder.“ Zudem soll der Schuldner nur noch drei Monate vor einer Zwangsvollstreckung bewahrt werden. Bisher galt der Schutz während der gesamten Verfahrenszeit. Und er soll auf Privatkonto und Arbeitseinkommen beschränkt werden. Anders als jetzt kann künftig also der Gerichtsvollzieher Fernseher oder anderes pfänden. Weitere Änderung: Ein Entschuldungsverfahren soll zwei Jahre länger laufen als das Verbraucherinsolvenzverfahren. „Diejenigen, die noch etwas zahlen können, sollen auch Vorteile haben“, begründet Plöger.

Das sei eine „Restschuldbefreiung zweiter Klasse“, mahnt Helga Springeneer von der Verbraucherzentrale. Besonders arme Schuldner würden mit einem längeren Verfahren und der drohenden Zwangsvollstreckung bestraft. Die Verbraucherschützerin fürchtet, dass so Erfolge der letzten Jahre zunichte gemacht würden.

Tatsächlich meldeten allein im ersten Quartal 2006 knapp 22.000 Personen Insolvenz an – 50 Prozent mehr als im selben Vorjahreszeitraum. Doch 8,3 Prozent aller Haushalte gelten derzeit immer noch als überschuldet. Hauptgrund für Überschuldung: Arbeitslosigkeit und viel zu teure Kredite. Besonders junge Leute werden stark umworben: Für den Führerschein, das erste Auto oder die Wohnungseinrichtung gibt’s bereits einen Kredit. Banken böten 18-Jährigen schon mal Konsumentenkredite für 10.000 Euro an, so Claudia Kurzbuch, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung.

Das Justizministerium will den Entwurf für das neue Insolvenzrecht im September vorgelegen. Die Neuregelung soll im nächsten Jahr eingeführt werden. DANIELA ENGLERT