: Ambulante Betreuung gefordert
BEHINDERTE Weil ambulante Hilfsangebote häufig an der Finanzierung scheitern, fordert der Landesbehindertenbeauftragte einen „Wohnkonsens“
Einen „Bremer Wohnkonsens“ und einen runden Tisch zu ambulant unterstützten Wohnformen für behinderte Menschen fordert Bremens Landesbehindertenbeauftragter Joachim Steinbrück. Ziel müsse eine finanziell abgesicherte Vereinbarung mit den Trägern der Behindertenhilfe sein, sagte Steinbrück bei einer Podiumsdiskussion der diakonischen Stiftung Friedehorst Anfang der Woche.
Auf ambulante Hilfen vor stationären Angeboten für behinderte Menschen setzt die rot-grüne Landesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung. Wohnheime sollen demnach weder aus- noch neu gebaut werden. Auch für Menschen mit höherem Betreuungsbedarf soll das Wohnen mit ambulanter Unterstützung gefördert werden.
Dezentrale Angebote wie kleine Wohngemeinschaften scheitern laut Nahid Chirazi, Geschäftsführerin der Behindertenhilfe in Friedehorst, jedoch vielfach an den Kosten. Das Land wolle finanziell nicht ausreichend unterstützen. In Friedehorst lebten etwa 300 behinderte Menschen. 2.000 Euro koste ein Heimplatz monatlich, ambulant hingegen seien es 20.000 Euro. Angesichts dieser Kostensteigerung sei es „de facto nicht möglich, Menschen mit einer 24-Stunden-Betreuung ambulant zu versorgen“, so Chirazi.
Sozialstaatsrat Joachim Schuster (SPD) wies die Kritik zurück. Nicht jeder behinderte Mensch, der ambulant versorgt werde, brauche 24 Stunden Assistenz. Karl Bronke, Abteilungsleiter im Sozialressort, entgegnete, die Träger der Behindertenhilfe seien bei der Umwandlung von stationären zu ambulanten Angeboten „mühsam auf dem Weg“. Im bundesweiten Vergleich gebe Bremen mit jährlich 150 Millionen Euro pro Kopf am meisten Geld für Leistungen der Behindertenhilfe aus.
Zudem sei der Personalschlüssel um 15 Prozent besser als im benachbarten Niedersachsen. Dennoch zeigte die Diskussion, dass bereits bestehende kleine Wohngemeinschaften der Behindertenhilfe in Stadtteilen schließen mussten, weil die Sozialbehörde trotz der Koalitionsvereinbarung die Kosten nicht mehr tragen wollte.
Hintergrund der Debatte ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die 2009 auch in Deutschland in Kraft trat. Zentraler Begriff der Konvention ist die „Inklusion“, die das selbstverständliche und gleichberechtigte Zusammenleben aller Menschen von Anfang an bezeichnet. Sie löst den Begriff der Integration ab. Konkret bedeutet das: Gleiche Chancen für alle etwa im Bildungssystem, am Arbeitsmarkt – und bei den Wohnmöglichkeiten. (epd/taz)