: Das große Schweigen
Hannover 96 verliert blamabel mit 0:4 gegen Hertha BSC Berlin und hat ein damit gleich mehrere Probleme: Eines ist die Defensive. Ein anderes ist die Stimmung nach dem schlechtesten Bundesliga-Start seit dem Wiederaufstieg
Vor dem Spiel hatte Hannovers Trainer Peter Neururer gesagt: „Wir fahren nach Berlin, um zu gewinnen.“ Nach der 0:4-Pleite gegen die Hertha musste er konstatieren: „Wir hatten nicht den Hauch einer Chance.“ Trotzdem war Neururer nach dem Spiel bemüht, die Niederlage in Berlin nicht ausschließlich seiner Mannschaft anzulasten.
Zum Beispiels das 1:0 für Hertha in der 20. Minute durch Marko Pantelic: Der Schiedsrichter-Assistent hatte bei diesem Angriff der Berliner die Fahne kurz gehoben, wegen passivem Abseits aber wieder gesenkt. Neururer beklagte sich, dass Hannovers Abwehr dadurch irritiert worden wäre: „Das Tor war zwar regelkonform, der Linienrichter hat aber massiv Einfluss genommen“, sagte Neururer. „Mein Team hatte das Spiel eingestellt.“ Immerhin bis zur 50. Minute sah er seine Mannschaft auf Augenhöhe mit Hertha. Erst durch die rote Karte gegen Michael Tarnat sei man ins Hintertreffen geraten, sagte Neururer.
Tatsächlich wurden die Roten danach Schritt für Schritt demontiert. Die neuen Offensivkräfte der Niedersachsen, Szabolcs Huszti und Arnold Bruggnik, die gegen Bremen noch viel Applaus bekamen, spielten dieses Mal ohne Inspiration. Wirkliche Torgefahr entstand nur, als der Berliner Torhüter Christian Fiedler in der sechsten Minute Bruggink den Ball vor die Füße köpfte.
Hannover bemühte sich zwar redlich nach vorne zu spielen, vergaß dabei aber völlig die Absicherung nach hinten. Torwart Robert Enke schimpfte, sein Team hätte sich bei den ersten beiden Toren naiv auskontern lassen. Sein Fazit: „Wenn man solche Sachen zulässt, kann man in der Bundesliga nicht bestehen. Einige Dinge stimmen bei uns nicht.“
Nach dem Platzverweis von Tarnat schien sich die Mannschaft aufzugeben: Die Berliner Kreativspieler Yildiray Bastürk und Gilberto hatten nun jede Menge Platz, dem begeisterten Berliner Publikum ihr Können zu demonstrieren. Am Ende war Neururer aufgrund einer Vielzahl vergebener Berliner Chancen froh, das Spiel nur mit 0:4 verloren zu haben, wie er zugab.
Der Block der 96-er Fans verstummte im Verlaufe der Begegnung völlig. Erst der gehaltene Elfmeter von Robert Enke (87.Min) unterbrach die gespenstische Stille. Danach herrschte wieder großes Schweigen. Der bereits in der 39. Minute eingewechselte Thomas Brdaric konnte nicht erklären, warum sein Team nicht ins Spiel zurückfand: „Mir fehlen die Worte.“
Neururer mied jeden Kommentar zur zweiten Halbzeit: Seine Spielanalyse beschränkte sich auf das falsch gehobene Fähnchen des Linienrichters. Ein Glück, dass sich Hannover 96 vor der Saison nicht auf ein Ziel festlegen ließ. So kann dem Verein wenigstens nicht ständig die Distanz zu diesem vorgehalten werden. Momentan steht Hannover 96 in der Tabelle auf dem letzten Platz. Es ist der schlechteste Bundesliga-Start der Hannoveraner seit dem Wiederaufstieg vor vier Jahren.
Am nächsten Wochenende empfängt Hannover 96 den Vorletzten Alemannia Aachen. Torwart Robert Enke sagte schon: „Aachen müssen wir überrennen.“ Nach acht Gegentoren in nur zwei Spielen ist das Abwehrverhalten derzeit der größte Schwachpunkt der Mannschaft. Dies dürfte auch dem Aufsteiger aus Aachen nicht entgangen sein. JOHANNES KOPP