Streik in weltgrößter Kupfermine treibt Preise

Bergarbeiter in der chilenischen Atacama-Wüste verlangen 10 Prozent mehr Lohn und Einmalzahlung von 23.400 Euro, um an den Gewinnen teilzuhaben. Neue Verhandlungen sind geplant. Gewerkschaft will Industrie nationalisieren

PORTO ALEGRE taz ■ Beim Arbeitskampf im größten Kupferbergwerk der Welt wird seit Samstag wieder verhandelt. Nachdem sich die Regierung eingeschaltet hatte und die streikenden Gewerkschafter die Zufahrtswege zur Escondida-Mine in Nordchile freigegeben hatten, hob die Firmenleitung ihren Produktionsstopp nach weniger als 24 Stunden auf. Damit dürfte der Preis für Kupfer, einen wichtigen Rohstoff auch der deutschen Industrie, allmählich wieder sinken.

Auf 3.000 Meter Höhe haben die streikenden Kumpel an der Zufahrt zu der riesigen Anlage in der Atacama-Wüste ein Zeltlager aufgeschlagen. Sie wollen am dreijährigen Höhenflug der Weltmarktpreise teilhaben und fordern 10 Prozent mehr Lohn sowie eine einmalige Prämie in Höhe von umgerechnet 23.400 Euro. Das Konsortium Minera Escondida, das zu 87,5 Prozent den australisch-britischen Konzernen BHP Billiton und Rio Tinto gehört, hat jetzt sein erstes Angebot geringfügig verbessert – auf 4 Prozent Lohnerhöhung und 13.900 Euro.

Escondida ist eine Mine der Superlative: Die Grube ist vier Kilometer breit und 800 Meter tief. Im ersten Halbjahr 2006 verbuchte das Konsortium, das mit einer Jahresproduktion von 1,3 Millionen Tonnen Kupfer rund 8 Prozent der Weltproduktion bestreitet, einen Rekordgewinn in Höhe von 2,9 Milliarden Dollar. Das in der Auto- und Elektroindustrie unverzichtbare Leitmetall wird in die Industrieländer des Nordens verschifft, zunehmend aber auch nach China. In einem Auto stecken etwa 34 Kilogramm Kupfer. In Deutschland werden fast 40 Prozent allen Kupfers im Bausektor verwendet, dann folgen die Elektroindustrie und die Strombranche.

Die boomende Nachfrage aus China ist auch der Hauptgrund für den hohen Weltmarktpreis von derzeit rund 7.500 Dollar pro Tonne – über viermal so viel wie 2003. In Chile, wo zwei Fünftel der Kupferweltreserven lagern, kommt der Geldsegen vor allem den transnationalen Konzernen zugute. Die nämlich bestreiten dank der Öffnung des Sektors mittlerweile zwei Drittel der Kupferförderung.

Zunächst hatte das Pinochet-Regime die Verstaatlichung der Kupfervorkommen durch den Sozialisten Salvador Allende 1971 durchlöchert, doch der Löwenanteil der Privatinvestitionen fiel in die Regierungszeit von Christ- und Sozialdemokraten ab 1990.

Für den Gewerkschaftsdachverband Cut ist der jetzige Streik ein willkommener Anlass, um die Renationalisierung des „roten Goldes“ auf die Tagesordnung zu setzen. „Die hohen Kupferpreise würden reichen, um sich um alle sozialen Probleme zu kümmern“, sagte Gewerkschaftschef Arturo Martínez. Und im Hinblick auf die jüngsten Schülerstreiks machte der Ökonom Orlando Caputo folgende Rechnung auf: „2006 erwarten die ausländischen Bergbauunternehmen in Chile Profite in Höhe von 18 Milliarden Dollar – das sind mehr als 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und vier Mal so viel wie der Etat des Bildungsministeriums.“

Andere Staaten Südamerikas, unter anderem Venezuela, haben bereits Teile ihrer Rohstoff-Produktion renationalisiert.

GERHARD DILGER