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Archiv-Artikel

Eine sinnvolle Aufgabe

PRO: Eine von allen Seiten akzeptierte UN-Truppe trägt zur Entspannung im Libanon bei. Deutschland kann und sollte sich um diese Herausforderung nicht herumdrücken

An die Vorstellung von einer UN-Truppe im Südlibanon knüpfen sich abenteuerliche Angstfantasien, aber auch Vorstellungen von Omnipotenz, die nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Dass deutsche UN-Blauhelme auf israelische Soldaten schießen müssten, ist so ein dramatisches Bild, das gerne bemüht wird. Realistisch betrachtet, wäre wohl eher das Gegenteil zu befürchten, wie der Angriff der israelischen Armee auf UN-Soldaten während des Libanonkriegs gezeigt hat.

Es mag banal sein, aber: Diese UN-Truppe wird auch mit robustem Mandat nicht zur Kriegspartei werden: Sie wird weder die Hisbollah gegen deren Willen entwaffnen – eine Aufgabe, an der die israelische Armee gerade gescheitert ist – und schon gar nicht gegen israelisches Militär kämpfen. Ihr Sinn besteht darin, zur Deeskalation beizutragen und im Südlibanon eine Pufferzone zu schaffen. Dort herrschte seit dem Abzug Israels 2000 die Hisbollah. Wenn dort nun 15.000 libanesische und 15.000 UN-Soldaten einziehen und die Vorherrschaft der Hisbollah brechen, ist das keine Garantie für Entspannung an der Grenze. Aber es eröffnet Möglichkeiten, die Lage zu stabilisieren.

Sinnvoll wird dieser UN-Einsatz nur sein, wenn er von einer politischen Deeskalationsstrategie begleitet wird. Der Libanon pocht zu Recht auf die Freilassung von Gefangenen, eine Lösung des Streits um das Gebiet der Sheeba-Farmen (mit der die Hisbollah ihren Kampf gegen Israel legitimiert) und darauf, dass Israel zur Räumung der Minen beiträgt, die es einst im Südlibanon hinterlassen hat. Israel pocht zu Recht darauf, dass die Hisbollah keine Raketen mehr auf sein Gebiet abfeuert.

Es gibt Chancen für einen Kompromiss. Israel hat versucht, mit einem überaus brutalen Krieg die Hisbollah zu vernichten, und ist damit kläglich gescheitert. Im Libanon war die Integration der vom Iran massiv unterstützen Hisbollah in den nationalen Rahmen bereits auf dem Weg. Man muss kein Traumtänzer sein, um an eine Chance zur Entspannung zu glauben.

Diesen Prozess kann eine UN-Truppe fördern und schützen – nicht mehr und nicht weniger. Jede Katjuscha-Rakete, die nicht in Israel detoniert, weil die UN im Südlibanon präsent ist, ist ein Beitrag zur Deeskalation. Und gerade wenn der politische Prozess gelingt, kann eine robuste militärische Präsenz der UN nötig sein. Es ist ein Muster in Nahost, dass jede politische Lösung Terror provoziert. Falls sich die Hisbollah politisch im Libanon integriert, ist es möglich, dass sich extremistische Splittergruppen abspalten die mit Gewalt versuchen, die Entspannung zu zerbomben. Wer, wenn nicht eine von allen Seiten grundsätzlich akzeptierte UN-Truppe, könnte solche Gruppen entwaffnen?

Es gibt berechtigte Bedenken: Das UN-Mandat ist unscharf, die Aufgaben müssen noch präziser geklärt werden. Aber das ändert nichts an der grundsätzlichen Notwendigkeit dieser Truppe, die Israel und Libanon akzeptiert haben. An dieser Mission sollte sich auch Deutschland beteiligen. Warum gerade wir? Weil Deutschland in Israel und vielen islamischen Staaten den Ruf genießt, ein glaubwürdiger Vermittler zu sein: wegen des historisch begründeten proisraelischen Konsenses der deutschen Politik in Israel; in den muslimischen Ländern, weil Deutschland durch den Irakkrieg und seine Iranpolitik nicht als Handlanger der USA gilt. Dieser Ruf mag gelitten haben, weil sich Deutschland an dem törichten Boykott der Hamas beteiligt und die maßlosen Zerstörungen Israels kaum kritisiert hat. Trotzdem ist Deutschland, mehr als viele andere Staaten, für eine moderierende Rolle prädestiniert: diplomatisch und als Teil der UN-Blauhelme.

Diese Mission wird aber scheitern, wenn die EU-Staaten lediglich Fregatten schicken und sich ansonsten vor der Aufgabe drücken. Allein Soldaten aus Bangladesch diesen Job tun zu lassen ist jedenfalls nicht Ausdruck einer sonderlich tugendhaften Haltung. Im Gegenteil.

STEFAN REINECKE

Fotohinweis: Stefan Reinecke ist politischer Autor im Meinungsressort der taz