: Keine Leute für Brüssel
SPERRKLAUSEL Nachdem die 3-Prozent-Hürde für das EU-Parlament fällt, überlegt in Kiel die Minderheitenpartei SSW, wie es um ihre Chancen aufs EU-Parlament steht
Nein, sagt Parteisprecher Per Dittrich, „wir werden an der Europa-Wahl nicht teilnehmen“. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), der seit Sommer 2012 mit SPD und Grünen in Schleswig-Holstein regiert, habe schlicht nicht genug Personal und Ressourcen. Der SSW vertritt die dänische und die friesische Minderheit im Kieler Landtag und hat eine Sonderstellung in der Parteienlandschaft: Für ihn gilt wegen des Minderheitenschutzes keine Prozent-Hürde, das bestätigte im September erst das Landesverfassungsgericht.
Gleichwohl begrüße man, sagt Dittrich weiter, dass das Bundesverfassungsgericht die Sperrklausel bei Europawahlen für ungültig erklärt. So nannte Parteichef Fleming Meyer die Entscheidung „weise“. Vor allem die Piratenpartei in Schleswig-Holstein sieht sich bestätigt: Sie fordert seit langem, dass Sperrklauseln auch im Land wegfallen. Einen entsprechenden Antrag beraten in Kiel zurzeit die Landtags-Ausschüsse. Die Erfolgsaussichten sind jedoch gering: Die großen Fraktionen, CDU und SPD, sprechen sich für Prozent-Hürden aus, die Kleinstparteien aus den Parlamenten fernhalten.
„Wir bedauern dieses Urteil, denn es ebnet den Weg für Rechtspopulisten und Anti-Europäer“, sagte SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner gestern über das Europa-Urteil – und unterstrich, die Karlsruher Entscheidung habe keine „Auswirkungen auf andere Wahlen“. CDU-Landeschef Reimer Böge, selbst EU-Abgeordneter, befürchtet eine „Zersplitterung der deutschen Interessen im EU-Parlament“.
Um seine Anliegen auf die europäische Ebene zu bringen, setzt der SSW auf Kooperation mit der „Europäischen Freien Allianz“ (EFA). Der Zusammenschluss von 40 Regionalparteien mehrerer EU-Länder ist seit 2004 als europäische Partei anerkannt. Der SSW habe über EFA in Brüssel gerade einen Antrag gegen die umstrittene Erdgas-Fördermethode Fracking gestellt, sagt Dittrich. Ein weiteres deutsches EFA-Mitglied kommt vom anderen Ende der Republik: Die Bayernpartei will nach dem Fall der Sperrklausel nun direkt antreten. EST
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