: Kapitalschwemme in Entwicklungsländer
Bank konstatiert zunehmende Geldanlagen in Drittweltländern. Experten warnen vor Parallelen zur Asienkrise
HAMBURG taz ■ Immer mehr privates Kapital fließt in Entwicklungsländer. „Rekordgewinne, hohe Liquidität und niedrige Zinssätze in den Industrieländern hatten keine entsprechend hohen Unternehmensinvestitionen zur Folge“, schreibt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem 76. Jahresbericht. Statt dessen pumpten sie das Geld in die Finanzmärkte in der Dritten Welt.
Schon im vergangenen Jahr hatten Banken, Fonds und Wertpapierkäufer netto etwa 400 Milliarden US-Dollar in den wichtigsten Schwellenländer angelegt – mehr als jemals zuvor. Dabei ist der Beginn der Asienkrise gerade mal neun Jahre her. Unter dem Druck von Währungsspekulanten musste die thailändische Regierung damals den Wechselkurs ihres Baht freigeben. Postwendend zogen die westlichen Industrieländer ihr Kapital ab und stürzten die Volkswirtschaften der südostasiatischen Tigerstaaten ins Chaos. Daran fühlen sich Finanzmarktbeobachter derzeit erinnert.
Zu Unrecht, meint das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Heute seien die Länder robuster gegen Krisen. „Ihre Banken sind gesünder“, sagt IW-Experte Jürgen Matthes. „Die Renditen sind noch immer verlockend, aber die Wirtschaftspolitik ist solider.“ Gespeist wird der Asienboom auch von privaten Anlegern, die in Investmentfonds anlegen, die ihre Renditen aus den Schwellenländern ziehen wollen.
Weniger gelassen ist UN-Sonderberichterstatter Jean Ziegler, der den Boom bei den Rohstoffpreisen für den Kapitalstrom verantwortlich macht. Viele Entwicklungsländer konzentrierten sich nur auf ein Produkt. Ein Kursverfall an den Rohstoffbörsen würde nahezu automatisch einen Fall der gesamten Volkswirtschaften bewirken. „Statt zu liberalisieren sollten die Staaten zunächst vor dem totalen freien Handel geschützt werden“, fordert Ziegler.
Auch der Bremer Finanzprofessor Jörg Huffschmid sieht „viele Parallelen zu 1997“. Der ausdauernde und häufig nicht zweckgebundene Finanzfluss, die Aktienkrise und die Fusionswelle gefährdeten Schwellenländer und globale Finanzmärkte gleichermaßen. Auch spielten riskante Hedgefonds eine stärkere Rolle als vor einem Jahrzehnt: Wenn auch nur einige der hochverschuldeten Fonds pleite gingen, könnte das eine Kapitalflucht auslösen. Lediglich China scheine gewappnet: Die Regierung setzt auf Kapitalverkehrskontrollen und zweckgebundene Direktinvestitionen.
Die BIZ fordert deshalb einen Notfallplan. Für die Zukunft müsse die Geldpolitik die grundsätzliche Frage klären, wie sie notfalls reagieren soll. Bislang steht die Antwort noch aus.
HERMANNUS PFEIFFER