ULRIKE HERRMANN ÜBER DIE NEUE FINANZAUFSICHT FÜR EUROPA
: Alarm geschlagen wird zuletzt
Selbst die Briten haben nicht protestiert, obwohl sie doch stets um ihren Börsenplatz London fürchten: Ab 2011 wird die europäische Finanzaufsicht gestärkt. Dieser „Durchbruch“ ist von der EU-Kommission euphorisch kommentiert worden.
Tatsächlich haben die europäischen Banken und Versicherungen jedoch wenig zu befürchten, wie gerade die Briten bestens wissen. Bereits das Personal der neuen EU-Aufsicht ist dürftig. Sie soll künftig nur etwa 100 Leute beschäftigen, die sich dann aber gleich um ganz Europa zu kümmern haben. Zum Vergleich: Allein die deutsche Finanzaufsicht Bafin kann über rund 1.830 Mitarbeiter verfügen; bei der Bundesbank kommen viele weitere Aufseher hinzu.
Es ist allerdings konsequent, nur so wenige EU-Kontrolleure einzustellen. Denn ihre Aufgabe ist beschränkt: Sie sollen Finanzkrisen nicht etwa verhindern, sondern einen möglichen Crash nur besser abwickeln, indem die Bankenrettung künftig europaweit koordiniert wird. Es ist jedenfalls weit mehr als nur ein symbolisches Detail, dass noch immer die EU-Finanzminister entscheiden, wann überhaupt eine Krise herrscht.
Erst wenn dieser Notfall offiziell ausgerufen wurde, können die neuen EU-Behörden den europäischen Finanzinstituten direkte Anweisungen erteilen. Bis dahin herrscht der bekannte Alltagsbetrieb, in dem die nationalen Aufsichtsbehörden das Sagen haben. Es gehört jedoch zu den Lehren des Crashs von 2008, dass die heimischen Kontrolleure die Gefahr stets als Letzte bemerken – schon weil sie fürchten, ihren jeweiligen Finanzplatz zu schädigen, wenn sie früh Alarm schlagen.
Die nächste Krise kommt also bestimmt. Um die darf sich dann die neue EU-Aufsicht kümmern.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 8