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Archiv-Artikel

„Superpapa“ hinter Gittern

Ein Mann hat sich als Vater hunderter Kinder eintragen lassen. Nun greift die Justiz ein

BERLIN taz ■ Nun ist Schluss mit den Vaterfreuden. Jürgen Hass sitzt hinter Gittern. Zumindest vorläufig endet ein Großprojekt, das dem 56-Jährigen den Spitznamen „Superpapa“ einbrachte. Der in Paraguay lebende Deutsche hat die Vaterschaft für hunderte Kinder armer Länder anerkannt. Er wolle ihnen den Zugang zu deutschen Sozialleistungen sichern, argumentiert Hass.

In Paraguay selbst hat er 30 Kinder angenommen. Die Justiz reagierte misstrauisch. Denn nach paraguayischem Recht darf sich nur der biologische Erzeuger als Vater eintragen lassen. Im Juli stellte ein Gericht den „Superpapa“ unter Hausarrest. Hass aber floh aus seiner Wohnung, am Montag übermannten ihn Beamte in einem Hotel.

Hass nennt zwei Gründe für seine Scheinvater-Offensive. Mal preist er sie als „heilige Mission“, die armen Kinder Chancen eröffnen soll. Mal bezeichnet er „Rache am deutschen Staat“ als sein Hauptmotiv. Denn Hass sieht sich als Justizopfer. Einst war der Ex-Versicherungskaufmann ein angesehener Bürger in niederrheinischen Rees. Er war in der FDP politisch aktiv. 1987 aber verurteilte ihn ein Gericht. Hass hatte Rechtsauskünfte erteilt, ohne Jurist zu sein. So vermuten Beobachter noch ein drittes Motiv hinter der Offensive: Hass will womöglich die deutsche Justiz vorführen. Finanziell riskiert er dabei wenig. Hass, der nur eine kleine Rente bezieht, muss keinen Kindesunterhalt zahlen.

So setzt er auf medienwirksame Coups, um sein Anliegen publik zu machen. Sein jüngster Plan: Er wollte den Bundespräsidenten, der in Deutschland für das siebte Kind einer Familie die Ehrenpatenschaft übernimmt, auch in seinem Fall zu einem solchen Schritt zwingen. Deshalb zog er vors Berliner Verwaltungsgericht. Die Richter aber wiesen die Klage ab. Eine Ehrenpatenschaft sei ein „freiwilliger symbolischer Akt“, auf den kein Rechtsanspruch bestehe, urteilten sie Ende Juli.

Dass Hass so viele Kinder annehmen konnte, liegt an den Besonderheiten des deutschen Rechts. Noch ist es nicht allzu schwer, Scheinvater zu werden. Es reicht, wenn der Mann das Vatersein öffentlich bekundet und die Mutter zustimmt. Zwar kann ein Notar die Beurkundung ablehnen, wenn „erkennbar unredliche Zwecke verfolgt werden“. Ein nachträglicher Einspruch aber ist nicht möglich. Und eine Überprüfung, ob Vater und Kind verwandt sind, gibt es seit 1998 nicht mehr. Diese Regelung soll Männern helfen, die für ein Kind sorgen möchten, auch wenn sie es nicht selbst gezeugt haben.

Künftig aber sollen Scheinvater-Fälle wie der des Jürgen Hass kaum mehr möglich sein. Seit längerem schon feilt Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) an einem Gesetzesentwurf, den sie voraussichtlich in der kommenden Woche dem Kabinett unterbreiten will. Behörden sollen Vaterschaften nachträglich anfechten dürfen, wenn sie vermuten, dass der Mann weder eine biologische noch eine soziale Beziehung zum Kind hat.

Wird die Novelle umgesetzt, träfe sie nicht nur einen einzelnen Sonderfall wie den Supervater Hass. Kritiker befürchten, dass sie in weit gängigeren Fällen das Leben erschweren könnte. Etwa bei Männern, die den Nachwuchs einer Ausländerin anerkennen, damit Mutter und Kind in Deutschland leben dürfen. COSIMA SCHMITT