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Archiv-Artikel

File under L wie Lagerfeuer und Lounge: Die Zweite von Sorry Gilberto und das Debüt von Sonia Brex

Sorry Gilberto sind Anne von Keller und Jakob Dobers, und auf dem Cover ihres neuen Albums mit dem etwas umständlichen und versponnenen Titel „It was the longest day and we didn’t know how to end it“ sieht man die beiden in einem Boot sitzen, was sich auf dem Foto recht idyllisch ausnimmt und beschaulich, wie sie da bereits etwas in die Ferne gerückt auf dem Wasser in sich versunken sind. Was natürlich nur eine Vermutung ist, das mit dem In-sich-versunken-Sein, so ihre Lieder hörend, die auch nicht richtig aus sich herausgehen, weil sie das gar nicht wollen. Die also wieder mal eher unspektakulär geworden sind auf dem zweiten Album von Sorry Gilberto.

Was aber nicht heißen soll, dass diese Lieder sich ganz in ihrer Bescheidenheit verkriechen. Die wollen schon etwas Tingeltangel, aber eben nicht für die große Bühne, sondern als nette kleine Showeinlage im Straßencafé. Sie sind die freundlichen Lieder am Lagerfeuer. Zurückhaltend. Aber nicht schüchtern. Der Berliner Großstadtfolk als hiesige Entsprechung zum Antifolk. Das sind Sorry Gilberto. Und wenn ein Lied mal nach einem voluminöseren Klangkissen verlangt, wie es ein Akkordeon sein könnte, dann nimmt man bei dem Duo nicht das Akkordeon, sondern eine Melodica, die ein bisserl ähnlich klingt, aber halt viel kleiner ist und einfacher. Jakob Dobers spielt neben der Gitarre gern die Ukulele, die eine ziemlich kleine Gitarre ist, und zwischen den vielen kleinen Instrumenten und den kleinen Melodien lassen Sorry Gilberto dann zwischendurch so Sätze wie „I didn’t like itself, but I like the memory of it“ in den Liedern liegen, die ein wenig melancholisch sind und ein wenig nach Sommerfrische schmecken. Vor allem aber sind sie einfach gesellig, weswegen man die Platte am Samstag im Ballhaus Ost auch mit vielen freundschaftlich verbandelten Kollegen befeiert.

Das Lagerfeuer des Clubs ist die Lounge, für die Sonia Brex mit „Naif“ ein Album eingerichtet hat, das gleichfalls nie kraftmeierisch daherkommt und lieber zeigt, was man hat und was man schätzt. Das ist bei Sonia Brex, die Anfang der Neunziger aus Sizilien nach Berlin gekommen ist und hier als DJ, Musikerin und Produzentin tätig ist, eine ganze Menge mit dem Soul und Jazz, Klavierstundeneinsprengseln, Filmmusikreferenzen, einmal auch Erinnerungen an italienische Folklore, viel Bossa, etwas NdW und sogar Krautrock. Das alles wird auf „Naif“ mal ausgeführt, vielleicht, weil es sich um ein Debütalbum handelt. Und alles wurde so elegant zurechtgeschliffen und artig in den Beats zum Electronica-Pop geschaukelt, zu dem Sonia Brex auch zurückhaltend genug singt, dass hier keine wirklichen Brüche zu hören sind. Unaufdringlich kräuselt die Musik mit ihren Zehen und tänzelt vor sich hin und nimmt es einem nicht allzu krumm, wenn man sich zwischendurch mit den Ohren mal entfernt und sich aus seinem Sessel schält und einen neuen Cocktail holen geht. Aber so funktioniert Lounge-Musik eben. Am Donnerstag stellt Sonia Brex ihr Album im Kunstraum Flaalf in der Schillingstraße 31 vor. THOMAS MAUCH

■ Sorry Gilberto: „It was the longest day …“ (Goldrausch Records) Live Sa. Ballhaus Ost

■ Sonia Brex: „Naif“ (Piranha Music) Live Do. Kunstraum Flaalf